Niederrhein Weg von der Katastrophenromantik

Niederrhein · Marxloh war am Mittwoch Thema in der Sendung Stern TV. Im Interview fordert Duisburgs Oberbürgermeister Sören Link Unterstützung von der Bundesregierung. Pater Potschien wünscht sich Perspektiven für die Menschen im Stadtteil.

 Duisburgs Oberbürgermeister Sören Link (rechts) berichtete bei Steffen Hallaschka von den Zuständen im Stadtteil Marxloh.

Duisburgs Oberbürgermeister Sören Link (rechts) berichtete bei Steffen Hallaschka von den Zuständen im Stadtteil Marxloh.

Foto: RP

Marxloh produziert immer wieder Negativschlagzeilen. Alteingesessene Bewohner klagen über Kriminalität, Unrat auf den Straßen und verwahrloste Wohnungen. Missstände, die immer wieder auch mit der Migration von Osteuropäern in den Duisburger Norden in Verbindung gebracht werden. Rund 20 Prozent der Marxloher sind Rumänen oder Bulgaren.

Die RTL-Sendung Stern TV hat die Zustände im Duisburger Norden zum Anlass genommen, Marxloh zum Hauptthema der Ausgabe am Mittwochabend zu machen. Titel: "Zwischen Schrottimmobilien und Müllbergen: So bitter ist das Leben in Duisburg-Marxloh". Als Gesprächspartner haben die Verantwortlichen Sören Link eingeladen. Bevor der Duisburger Oberbürgermeister zu Wort kommt, zeigt Stern TV eine ausführliche Reportage, die ein Bild des Stadtteils zeichnet. Es werden Geschichten von alteingesessenen Marxlohern erzählt. Zum Beispiel die von Edda Glomke, die vor zwei Jahren resignierend aus dem Viertel weggezogen ist. Sie habe es dort einfach nicht mehr ausgehalten, berichtet sie dem Reporterteam. Nachts hätten Unbekannte an ihrer Tür geklopft. Glomke habe darauf die Polizei angerufen. Doch eine Polizistin am anderen Ende der Leitung habe ihr lediglich geraten, aus Marxloh wegzuziehen. Das tat Glomke dann schließlich auch.

In dem Beitrag wird auch die Situation rund um die sogenannten Schrottimmobilien thematisiert. Es werden Bilder von verwahrlosten Wohngebäuden gezeigt, die von den Vermietern zumeist an Armutsflüchtlinge zu überhöhten Preisen vermietet werden. Die Kameras sind dabei, wenn die sogenannte Task Force Schrottimmobilien räumen lässt. "Diesen kriminellen Vermietern legt man nur das Handwerk, indem man ihnen die Geldquelle abdreht", sagt Ordnungsdezernentin Daniela Lesmeister von der Task Force den Reportern.

Im Interview mit Moderator Steffen Hallaschka im Anschluss an den Beitrag betont Oberbürgermeister Sören Link, dass die kriminellen Mieterstrukturen in Marxloh ein Kernproblem des Stadtteils seien. Die Stadt nutze alle Möglichkeiten, um gegen diese Machenschaften vorzugehen.

Beim Thema Integration von Osteuropäern in Marxloh konfrontiert der Moderator Duisburgs Oberbürgermeister mit einem Zitat aus dem Jahr 2015. Damals, zum Höhepunkt der Flüchtlingskrise, sagte Link, dass er doppelt so viele Syrer aufnehmen würde, wenn er dafür ein paar Osteuropäer abgegeben dürfe. "Für die Wortwahl dieser Aussage habe ich mich entschuldigt, aber beim Kern der Aussage bleibe ich", sagt Link bei Stern TV. Es gelte gegen die, die Regelverstöße betreiben, konsequent vorzugehen. Gleichzeitig müsse man die fördern, die sich an die Regeln halten.

Verständnis für Wähler, die aus Frust über die Situation in Marxloh ihr Kreuz bei den anstehenden Bundestags- und Oberbürgermeisterwahlen am 24. September bei Rechtspopulisten machen, hat Link nicht. Denn Rechtspopulisten würden die Probleme nur beschreien, aber keine Lösungen bieten.

Link selbst arbeite an Lösungen, fordere aber auch Hilfe von der Bundesregierung. "Es kann doch nicht richtig sein, dass jemand nach Deutschland kommt und über die Sozialleistungen, insbesondere über das Kindergeld, einen Lebensstandard sicherstellen kann, den er in Rumänien oder Bulgarien nicht erreichen kann. Das ist seit Jahren nicht nur in Duisburg, sondern auch in anderen Städten ein Problem. Ich erwarte, dass die Bundesregierung da handelt."

Pater Oliver Potschien, Leiter des sozialpastoralen Zentrums Petershof, warnt angesichts der Bilder und Berichte, die zurzeit über Marxloh kursieren, vor einer "Katastrophenromantik". Wichtig sei vor allem, den Menschen in Marxloh eine Perspektive zu bieten. Dabei müsse man alle ins Boot holen: die angestammten Marxloher und die Zuwanderer.

"Wir leben hier nun mal gemeinsam, deshalb muss auch das Zusammenleben gelingen", meint der Pater, der in der Öffentlichkeit ein gesuchter Gesprächspartner ist. Diese Perspektivensuche könne auf unterschiedliche Weise geschehen: durch Aktionen oder auch durch moderierte Gespräche. "Wichtig ist das Ziel, eine gute Gemeinsamkeit zu erreichen." Es sei eine wichtige Aufgabe für Fachleute, Wege zum Erreichen dieses Ziels zu finden. Er selber, so der Pater, möchte nicht die Rolle des Moderators übernehmen. "Ich stecke selber zu tief drin", sagt er. Aber er würde sich gerne auf andere Weise beteiligen.

(RP)
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