Kreis Wesel Wenn Straftäter sich als Kinder ausgeben

Kreis Wesel · Dr. Dr. Claus Grundmann arbeitet am Duisburger Institut für Rechtsmedizin und ist als Experte gefragt, wenn es darum geht, das Alter von Menschen näher zu bestimmen. So mancher Kriminelle macht sich jünger als er tatsächlich ist.

 Dr. Dr. Claus Grundmann (links), hier mit Roland Wolff, Leiter der Direktion Kriminalität der Kreispolizei Wesel, erläutert, was eine Röntgenaufnahme des Gebisses eines Menschen über dessen Alter aussagen kann.

Dr. Dr. Claus Grundmann (links), hier mit Roland Wolff, Leiter der Direktion Kriminalität der Kreispolizei Wesel, erläutert, was eine Röntgenaufnahme des Gebisses eines Menschen über dessen Alter aussagen kann.

Foto: Peggy Mendel

Die dickste Lüge hinsichtlich des eigenen Alters, die ein Tatverdächtiger Roland Wolff, Direktionsleiter Kriminalität bei der der Kreispolizei Wesel, auftischen wollte, war, als ein 21-jähriger Mann sein Alter mit zwölf Jahren angab, um noch als nicht strafmündig durchzugehen. In solchen Fällen wird bei Strafsachen oftmals Dr. Dr. Claus Grundmann hinzugezogen. Der Arzt und Zahnarzt ist als Mitarbeiter am Institut für Rechtsmedizin in Duisburg tätig und als Experte gefragt, wenn es darum geht, das Alter eines Menschen zu bestimmen. Sein räumliches Tätigkeitsfeld umfasst überwiegend die Bereiche der Landgerichtsbezirke Duisburg, Kleve und Krefeld.

Der 59-jährige Mediziner wurde beispielsweise hinzugezogen, als das Alter von zwei Tatverdächtigen näher bestimmt werden sollte, die am 11. Januar dieses Jahres festgenommen worden waren und denen Einbruch sowie Einbuchversuch vorgeworfen wird. Wie Kriminaldirektor Roland Wolff gestern berichtete, war das Duo - ein junger Mann und eine junge Frau - am Tattag im Keller eines Hauses an der Eppinkstraße in Dinslaken geschnappt worden. Zeugen hatten damals die Polizei alarmiert. Die beiden Tatverdächtigen sprachen nur bruchstückhaft Englisch, da sie einen italienischen Sprachhintergrund haben, und sagten damals übereinstimmend aus, sie seien Cousin und Cousine und 13 Jahre alt. Auf der Suche nach ihrem Opa, bei dem sie wohnen würden, wollten die ziellos durch die Gegend gewandert sein. Ausweispapiere hatten beide nicht dabei. Da die Polizei ihnen die Geschichte nicht abnahm, sie den Eindruck machten, älter zu sein, wurde vom Staatsanwalt ein vorläufiges Altersgutachten in Auftrag gegeben. Die dafür notwendige Untersuchung fand noch in der gleichen Nacht durch einen Facharzt in einer Duisburger Klinik statt und ergab, dass beide über 16 Jahre alt und damit strafmündig waren. Am nächsten Tag wurden sie dem Amtsrichter vorgeführt, der sie in Untersuchungshaft nehmen ließ. Das endgültige Altersgutachten erstellte dann Claus Grundmann, der nach seinen Untersuchungen den jungen Mann auf sechzehneinhalb Jahre und die junge Frau auf 17 Jahre schätzte. Das Verfahren gegen beide läuft noch, Polizeidirektor Roland Wolff geht "aufgrund der Beweislage von einer Verurteilung der beiden Tatverdächtigen aus".

Die Fallzahlen für Alterschätzungen in Strafverfahren steigen nach den Erfahrungen von Claus Grundmann seit den 90er Jahren, dies auch in Zusammenhang mit zunehmender Migration. Im Bereich der Kreispolizei Wesel liegt die jährliche Fallzahl bei Strafverfahren im einstelligen Bereich, sagte Wolff. Grundlage für die Altersschätzung sind vier Untersuchungsschritte: Feststellung der körperlichen Entwicklung, Röntgen der Hand, Untersuchung des Gebisses und des Schlüsselbeins. Die so gewonnenen Erkenntnisse lassen Rückschlüsse auf den körperlichen Entwicklungsstand und das Alter des Untersuchten zu. "Es handelt sich nicht um eine Altersbestimmung, sondern um eine Altersschätzung", sagt Grundmann. Und die falle relativ genau aus: bei 18 Jahren plus oder minus ein Jahr.

Angewandt wird diese Methode auch, wenn es darum geht, Angaben zum Alter von jungen, unbegleiteten Flüchtlingen machen zu können. Allerdings ist in solchen Fällen das persönliche Einverständnis des Betroffenen erforderlich, so Grundmann, denn schließlich handele es sich bei der Untersuchung um einen "intensiven Eingriff". Wurde eine Untersuchung bei Strafverfahren angeordnet, ging es beispielsweise um schwere Brandstiftung, Handel mit Betäubungsmitteln und Tötungsdelikte, wie der Mediziner berichtete.

Nach den Erfahrungen von Kriminaldirektor Roland Wolff wissen viele junge Straftäter, dass man in Deutschland erst mit 14 Jahren strafmündig wird und würden daher sagen, dass sie 13 Jahre alt seien. Nicht selten handele es sich um reisende Täter. Werden sie gefasst und liegt von ihnen eine Altersschätzung vor, werden diese Daten gemeinsam mit dem von ihnen angegebenen Namen, der oftmals nicht ihr Geburtsname ist, den Fingerabdrücken und der DNA gespeichert. Das erleichtert es, sie bei späteren Delikten zu identifizieren. Die Erfahrung, dass "professionell reisende Täter sich als Kinder ausgeben" und für Serienstraftaten in Frage kommen, hat Wolff des Öfteren gemacht.

(RP)
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