Wesel/Kalkar Weseler Müller-Azubi mit 53 Jahren

Wesel/Kalkar · Detlev Flores aus Wesel hat seine Müllerei-Prüfung in Kalkar abgelegt. Für das ungewöhnliche Hobby muss manvor allem ein wenig verrückt sein, sagt er. Einer seiner Vorfahren hatte einst die Diersfordter Mühle gepachtet.

 Um die Ausbildung erfolgreich abschließen zu können, musste Detlev Flores erst einmal seine Höhenangst überwinden.

Um die Ausbildung erfolgreich abschließen zu können, musste Detlev Flores erst einmal seine Höhenangst überwinden.

Foto: Stade

Dieses Wortspiel konnte sich die stellvertretende Bürgermeisterin Kalkars, Britta Schulz, einfach nicht verkneifen. Sie freue sich, drei frisch gebackene Müller an der Mühle in Kalkar begrüßen zu dürfen. Das musste stilecht gefeiert werden: An Ort und Stelle bekamen die Neu-Müller ihre Urkunden überreicht. Einer von ihnen ist Detlev Flores aus Wesel. Mit ihm sorgen jetzt zehn Vertreter des Handwerks für regen Betrieb in der Mühle der Nicolaistadt - ehrenamtlich versteht sich. Der 53-Jährige ist gar der jüngste der drei Auszubildenden. "Am Anfang habe ich mich nur ein bisschen für die Mühle interessiert, da war an einen Lehrgang noch gar nicht zu denken", sagt der Industriemeister.

Manchmal aber kommt es eben anders, als man denkt. Bereits Ende März legte Flores seine Prüfung ab, jetzt hat er seine theoretischen wie praktischen Fähigkeiten beweisen, die nötig sind, um eine "Mühle mit Segelgatter-Flügeln und drehbarer Haube" zu bedienen. Und das ist auch gut so, wie Theo Nilgen vom Rheinischen Mühlenverband betont. "Man muss sich bewusst sein, dass Mühlen kein Spielzeug sind, sondern aufwendige Maschinen", meint Nilgen.

Dabei hatte der Detlev Flores zunächst mit ganz anderen Problemen zu kämpfen. "Am Anfang musste ich erst einmal meine Höhenangst in den Griff bekommen", sagt er. Ein wenig habe er sich schon überwinden müssen, um unangeschnallt unter die Flügel zu klettern. "Aber nach ein paar Wochen geht das", meint der 53-Jährige. Man müsse eben ein wenig verrückt sein, wenn man der Leidenschaft der Müllerei erlegen ist. Auf diese "Verrückten" komme es aber an, wie Theo Nilgen sagt: "Mühlen sind Kulturbauwerke, wahre Sehenswürdigkeiten. Aber was bringt die funktionstüchtigste Mühle, wenn niemand da ist, der sie bedient?" Die Gebäude haben Flores schon immer fasziniert, wie er sagt. Zunächst ihre reine Anmutung, dann auch die Funktionsweise.

Und tatsächlich fließt sogar ein wenig Müllerblut durch seine Adern. "Einer meiner Vorfahren hat von 1828 bis 1876 die Diersfordter Mühle gepachtet", erzählt der Weseler. Damals war die Müllerei aber längst kein Ehrenamt - und wohl auch die Ausbildung eine andere. Neben praktischem Unterricht stand für Detlev Flores auch die Wettervorhersage auf dem Stundenplan. "Dass die Mühle in den Wind gedreht werden muss, weiß ja jeder. Aber das Wetter für die kommenden Stunden vorauszusagen, ist eine ganz andere Sache", sagt Detlev Flores. Insgesamt zwei Jahre hat die Ausbildung gedauert, neben ihm dürfen sich jetzt auch Klaus van Elsbergen (61) aus Kalkar und Hans Terhaer (68) aus Münster Müller nennen.

Detlev Flores hat mittlerweile so viel Gefallen an dem Hobby gefunden, dass er auch nach dem Zertifikat in Kalkar mit der Ausbildung weitermacht. Dafür geht es sogar in die Niederlande. "Dort gibt es ja viel mehr unterschiedliche Mühlen als hier in Deutschland, die Ausbildung ist ganz anders aufgebaut", meint der 53-Jährige. Dass Müllerei keine Frage des Alters ist, hat dabei einer seiner Ausbilder eindrucksvoll vorgemacht. "Der ist 83 Jahre alt und klettert an Stellen herum, an die ich mich ungesichert niemals wagen würde", sagt er. Aber so ist es eben an der Mühle: Ein bisschen verrückt sein muss man schon für diese Leidenschaft.

(RP)
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