Hintergrund Wie Islamist Philip B. sich radikalisierte

Xanten · Die Mutter des Mitglieds der Lohberger Brigade sagte im Prozess gegen den mutmaßlichen Terroristen Nils D. aus.

Als sie im Internet die Video-Botschaft des jungen Mannes sah, der im Dezember 2013 aus Syrien in einem aggressiven und fordernden Tonfall zum "Heiligen Krieg" aufrief, erkannte sie sofort ihren Sohn, von dem sie lange Zeit geglaubt hatte, dass er sich in Ägypten aufhalten würde oder in der Türkei, wo er Freunde abholen wollte.

Doch damals bestätigte sich dann, dass der Dinslakener Philip B. auf Seiten der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) kämpfte und sich in Syrien aufhielt. "Von da an wusste ich, dass mein Kind nicht überleben wird." Später hatte sie über das Internet direkten Kontakt zu ihrem Sohn und konnte ihn per Bildübertragung in einem Krankenhaus liegen sehen. Er war schwer verletzt und an medizin-technische Geräte angeschlossen. "Was ich da gesehen habe, war schlimmer als die spätere Todesnachricht", sagte die Mutter von Philip B. bei ihrer Befragung im Prozess gegen Nils D. Gegenwärtig wird dem 25-jährigen Cousin von Philip B. vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf der Prozess gemacht. Ihm wird Mitgliedschaft in der Terrorgruppe IS vorgeworfen.

Von seinem Krankenbett aus habe ihr Sohn Philip ihr gesagt, dass alles gar nicht so schlimm sei, berichtete seine Mutter als Zeugin vor Gericht. Sie könne ihn auch im Krankenhaus besuchen, sagte er ihr. Sie fragte ihn, ob er lieber nach Hause wolle? "Nein", habe ihr Sohn geantwortet, "ich bin hier auf dem richtigen Weg." "Da war mir klar, den haben wir verloren, da ist nichts mehr zu machen", sagte die Mutter von Philip B. Über das Internet verfolgte ihr Ex-Mann, was der gemeinsame Sohn als IS-Kämpfer tat. "Er wird immer verrückter, bald ist es soweit", habe der Vater damals gesagt. Später erfuhr die Mutter, dass ihr Sohn bei einem Selbstmordattentat umgekommen sein soll. Die Bestätigung erhielt sie von ihrem Neffen Nils D., der wie sein Cousin Philip B. ebenfalls als Mitglied der sogenannten Lohberger Brigade nach Syrien gereist und dann aber zurückgekehrt war. Ihren Neffen, der nach seiner Heimkehr den Eindruck vermittelte, als sei er aus dem Urlaub gekommen, weil alles wie vor seiner Ausreise aus Deutschland ablief, fragte die Mutter, ob ihr Sohn tatsächlich tot sei. "Zu einhundert Prozent", habe sie zur Antwort erhalten. Nils D. soll es gewesen sein, der den verletzten Philip B., mit dem er seit frühester Kindheit eng verbunden war, während dessen Zeit im Krankenhaus gepflegt hat.

Wie sich die Radikalisierung ihres Sohnes allmählich vollzog, nachdem er zum Islam konvertiert war, und wie er sich dann immer mehr veränderte, berichtete die Mutter vor Gericht. Im Sommer 2011 nahm Philip B. den islamischen Glauben an. Im Frühjahr 2012 waren die Persönlichkeitsveränderungen, nicht nur, was das äußere Erscheinungsbild betraf, nicht mehr zu übersehen. Von seiner Mutter erwartete er, dass sie kein Schweinefleisch isst, keine Musik im Auto hört und auch kein Fernsehen sieht. Er versuchte, seine Mutter von seinen religiösen Ansichten und seinem neuen Denken zu überzeugen, was immer wieder zu heftigen Streitigkeiten zwischen den beiden führte und in Beleidigungen gipfelte.

Philip B. veränderte sich und wurde immer radikaler in seinen Ansichten. Schließlich sprach er davon, Deutschland zu verlassen. Im April 2013 reiste er aus. Nachdem sie ihren Sohn im Internet vor einer schwarzen Flagge hatte stehen sehen, wusste die Mutter, wem er sich angeschlossen hatte: dem Islamischen Staat. Dessen Video-Botschaft bestätigte die schlimmsten Befürchtungen. Im Sommer 2014 soll Philip B. sich als Selbstmordattentäter im Iran in die Luft gesprengt und dabei 20 Menschen mit in den Tod gerissen haben.

(RP)
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