Wesel Wie moderner Journalismus aussieht

Wesel · Auf Einladung von CDU-Fraktion und Stadtverband kam RP-Chefredakteur Michael Bröcker aus Düsseldorf nach Wesel.

 Dr. Heinzgerd Schott sprach einleitende Worte - es war sein letzter Neujahrsempfang als Stadtverbandsvorsitzender der CDU in Wesel.

Dr. Heinzgerd Schott sprach einleitende Worte - es war sein letzter Neujahrsempfang als Stadtverbandsvorsitzender der CDU in Wesel.

Foto: Malz

Vieles war neu bei diesem 2015er Neujahrsempfang der Christdemokraten im vollen Saal des Weseler Rathauses: Erstmals hatten Fraktion und Stadtverband gemeinsam zum Begrüßen des neuen Jahres eingeladen, erstmals waren alle Fraktionen eingeladen, kamen SPD-Vertreter zur CDU, und erstmals hielt ein Journalist die Festrede der Veranstaltung. Zu Gast war Michael Bröcker, Chefredakteur der Rheinischen Post in Düsseldorf, der über die Zukunft des Journalismus' sprach und im Anschluss an seinen Vortrag - auch das dürfte eine Neuerung gewesen sein - zur Fragerunde einlud.

Nicht mehr ganz neu war die Nachricht, dass sich der CDU-Stadtverband Ende März dieses Jahres fast komplett neu aufstellt - Thema war sie dennoch. Weil der Fraktionsvorsitzende Jürgen Linz seinem Parteichef Dr. Heinzgerd Schott schon jetzt dafür dankte, ihm in besonders schweren Zeiten den Rücken gestärkt zu haben. Schott, der sich aus privaten Gründen nicht mehr zur Wahl stellt (RP berichtete), aber wehrte sich gegen übertriebene und viel zu frühe Wehmut und sagte: "Ich stehe hier als Stadtverbandsvorsitzender - nicht als Noch-Stadtverbandsvorsitzender." Und wollte damit sagen: Bis Ende März geht es noch mit voller Kraft weiter. Danach will er weiter in seinem Ortsverband in Ginderich mitarbeiten.

Zu Gast im Ratssaal war auch Sabine Weiss, Mitglied des Bundestages und gerade mit 100 Prozent der Stimmen erneut zur Kreisverbandsvorsitzenden gewählt. In ihrem Grußwort verurteilte sie die Anschläge von Frankreich. "Der Terror wird unsere Gesellschaft nicht spalten - wir sind weltoffen, aber Parallelgesellschaften werden nicht geduldet", so Weiss. Nach dem tragischen Start ins Jahr wünschte sie vor allem Frieden für 2015.

 Vortrag plus Fragerunde gab es am Freitag von Michael Bröcker.

Vortrag plus Fragerunde gab es am Freitag von Michael Bröcker.

Foto: Malz, Ekkehart (ema)

Michael Bröckers (Schott bezeichnete seinen Werdegang als "mustergültige Journalisten-Blitzkarriere") zentrale Aussage: Moderner Journalismus muss digitaler werden und die Menschen vor allem dort abholen, wo sie sind: in sozialen Netzwerken wie Facebook, beim Nachrichtendienst Twitter oder auch auf Nachrichtenwebseiten wie RP Online. Nur wenn Verlagen das gelingt, hätten sie eine Chance, junge Leute an ihre Produkte zu binden. Bröcker ist aber davon überzeugt, dass Journalismus überlebt, "er lebt ja nicht nur auf dem bedruckten Papier". Das setzt allerdings voraus: Journalisten dürfen sich nicht ausschließlich festklammern am Medium Zeitung. Die Frage muss vielmehr eine viel grundsätzlichere sein: "Wie kommt meine Nachricht, mein Kommentar, mein Gedankengut am besten zu welchen Menschen?" Dazu braucht es laut dem 37-Jährigen völlig neue journalistische Formate und ganz andere Formen der Ansprache. Und: Journalismus könne nur dann überleben, wenn es für alle Verbreitungskanäle auch zahlende Nutzer gibt. Noch in diesem Jahr soll daher auch für einige Online-Artikel der Rheinischen Post gezahlt werden.

Die Digitalisierung, die Journalisten auf den ersten Blick vielleicht ein bisschen Angst macht, habe, so Bröcker, durchaus auch etwas Heilsames: Sie zwinge Journalisten nämlich dazu, den Menschen wieder richtig zuzuhören, um herauszufinden, was diese interessiert, was sie antreibt, was sie auf welchem Kanal erfahren wollen - und dann diese Geschichten aufschreiben zu können. Vorteil für die Nutzer: Dadurch, dass Journalisten heute ganz anders gefordert sind, dass sie überlegen müssen, wann welche Geschichte auf dem Handy, wann im Print und wann online erzählt wird, bekommen sie eine hochgradig zielgruppenspezifische Berichterstattung.

(RP)
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