Wesel Zeichensetzer gegen das Vergessen

Wesel · Günter Faßbender hat den Vorsitz im Jüdisch-Christlichen Freundeskreis in jüngere Hände gegeben. Im Gespräch mit der RP schildert der heute 82-Jährige, warum sich die Initiative gründete und welche Ziele verfolgt werden. Kontakt zu Schulen zeige Erfolge.

Was als Privatinitiative und mit einem Herzensanliegen begann, hat Günter Faßbender über 20 Jahre begleitet: "Uns wurde die Hand zur Versöhnung ausgestreckt. Das ist bis heute etwas ganz Besonderes." Gemeint ist der Besuch von ehemaligen jüdischen Bürgern der Hansestadt – darunter Ernest Kolman – 1988 in Wesel. "Damals hatte die Verwaltung die jüdischen Mitbürger zum Gedenken an die Pogromnacht eingeladen", erinnert sich Günter Faßbender. "Doch das sollte nicht alles gewesen sein. Es musste unsere dauerhafte Aufgabe sein, die Beziehung zu diesen Zeitzeugen aufrecht zu erhalten."

Zeitzeugen haben Jugend erreicht

Und so fanden sich kurze Zeit später rund 60 Mitstreiter, die den Jüdisch-Christlichen Freundeskreis Wesel aus der Taufe hoben. Günter Faßbender, damals Stadtdirektor, nutze seine Kontakte, um Gelder für die Privatinitiative zu sammeln. "Das benötigten wir für die ersten Veranstaltungen." 1993 wurde aus dem Freundeskreis ein Verein. "Wir wurden zudem in den Kreis der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit aufgenommen. Damit war uns eine stattliche Förderung sicher", erzählt Faßbender, der von Beginn an den Vorsitz des Freundeskreises innehatte. Zu Beginn der Arbeit stand die Erinnerung an den Holocaust im Vordergrund. "Als Kind habe ich gefragt, warum diese Menschen einen Judenstern tragen", erinnert sich der heute 82-Jährige. "Doch es gab nur spröde Antworten."

Faßbender spürte in seiner christlich geprägten Familie eine Distanz. "Meine Mutter war zum Beispiel vorsichtig, wenn sie in den jüdischen Geschäften einkaufen ging. Erst später wurde mir das ganze Ausmaß des Holocaust bewusst." Faßbender wollte – schon als Student – ein Zeichen gegen das Vergessen setzen. Mit Vorträgen – in Zusammenarbeit mit Weseler Kirchengemeinden – fand die Aufarbeitung statt. Dann wurden Kontakte zu Schulen und zu muslimischen Gruppen geknüpft. "Wir wollte eine breite kulturelle Basis erreichen", sagt Faßbender. "In Bezug auf die Jugend wurde der Spagat zwischen Vergangenheit und Gegenwart geschafft." Besuche von Zeitzeugen in Klassen hätten Wirkung gezeigt. Zudem sei das Thema stärker im Unterricht präsent. "Die Aktion ,Stolpersteine' macht deutlich, dass die Schüler die Erinnerung wachhalten wollen", zieht Faßbender Bilanz.

Der 82-Jährige hat nun die Vorstandsarbeit des Jüdisch-Christlichen Freundeskreises an die nächste Generation abgegeben. Nachfolger an der Spitze ist Beigeordneter Wolfgang Jung. "Ich bleibe dem Verein als Mitglied erhalten. Denn aus den damaligen Bekannten wie Ernest Kolman sind Freunde geworden", sagt Faßbender. Für den Freundeskreis wünscht er sich: "Das wir nicht stehen bleiben. Das Gedenken an den Holocaust darf keine bloße Erinnerungskultur sein." So könnten neue Kontakte zu den lebendigen jüdischen Gemeinde in der Region geknüpft werden.

(RP)
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