Stadt Willich 70 Jahre mit vielen Aufs und Abs

Stadt Willich · Bei einer offenen Mitgliederversammlung im Museum "Kamps Pitter" feierte die Willicher CDU ihre Gründung vor 70 Jahren. Stadtarchivar Udo Holzenthal fasste die Jahrzehnte in einem kurzweiligen Vortrag zusammen.

 Die CDU-Fraktion im Jahr 1975. In der Bildmitte der damalige Fraktionsvorsitzende Manfred Möller. In Grün die spätere Bürgermeisterin Käthe Franke.

Die CDU-Fraktion im Jahr 1975. In der Bildmitte der damalige Fraktionsvorsitzende Manfred Möller. In Grün die spätere Bürgermeisterin Käthe Franke.

Foto: Stadtarchiv

Etwa eine Stunde, bevor am Montagabend auf einem Weihnachtsmarkt im Herzen Berlins ein Attentäter mindestens zwölf Menschen tötete und viele verletzte, zitierte Uwe Schummer den ehemaligen Bundeskanzler Konrad Adenauer - nicht ahnend, welch wichtige Bedeutung diese Worte wenig später einmal mehr haben sollten: "Wenn Böses überhaupt einen Sinn hat, dann nur den, uns Deutsche immun zu machen gegen alle Formen des Totalitarismus." Es war eigentlich ein freudiges Ereignis, zu dem der Willicher CDU-Vorsitzende und Bundestagsabgeordnete Uwe Schummer ins Heimatmuseum "Kamps Pitter" eingeladen hatte: 70 Jahre CDU Willich. Rund 100 Gäste, darunter auch Vertreter anderer Stadtverbände und Parteien, folgten der Einladung.

Höhepunkt der gelungenen Veranstaltung war der Vortrag des Willicher Stadtarchivars Udo Holzenthal, der die Gäste mitnahm auf eine unterhaltsame Reise durch die 70-jährige Geschichte der Union in Anrath, Neersen, Schiefbahn und Alt-Willich. Vor allem die Bilder, die er mitgebracht hatte, sorgten für Heiterkeit - etwa die Wahlplakate aus den Jahren 2004, 2009 und 2014, die Bürgermeister Josef Heyes in typischer Pose zeigen. Holzenthals Kommentar dazu: "Der Bürgermeister ist der Gleiche geblieben, nur das Fahrrad hat sich verändert."

 Die CDU-Politiker Hans Kothen und Ralf Hasso Sagner in den 80er-Jahren.

Die CDU-Politiker Hans Kothen und Ralf Hasso Sagner in den 80er-Jahren.

Foto: Stadtarchiv Willich

Viele Jahre zuvor, im Sommer 1945, war es der christliche Gewerkschafter Jakob Meyer aus Schiefbahn, der als einer der ersten Männer am Niederrhein Überlegungen zur Gründung einer christlichen Partei anstellte. 1946 gründete sich dort unter seinem Vorsitz der Schiefbahner Ortsverband, in Neersen unter Josef Schages, in Willich unter Franz Teschen und in Anrath unter Peter Leven.

Die ersten freien Wahlen nach mehr als 13 Jahren am 15. September 1946 brachten der CDU deutliche Ergebnisse: "In Willich holte die CDU 25 von 27 Sitzen, in Anrath und Schiefbahn 13 von 15, in Neersen 14 von 15. Folgende Bürgermeister wurden gewählt: Wilhelm Maaßen in Willich, Willi Krebs in Anrath, Johannes Spaetgens in Schiefbahn und Josef Schages in Neersen", so Holzenthal.

 Jakob Meyer, Begründer der Schiefbahner CDU.

Jakob Meyer, Begründer der Schiefbahner CDU.

Foto: Stadtarchiv Willich

Doch diese Stärke hielt nicht ewig: Wegen Streitigkeiten wechselten in Schiefbahn 1952 viele Mitglieder zur FDP - mit der Folge, dass sich der FDP-Mann Karl Schäfer mit den Stimmen von FDP und SPD zum Bürgermeister wählen lassen konnte. Er hielt dieses Amt bis 1961 inne. Erst danach gelang es der Union, mit Dr. Hans Lamers wieder den Bürgermeister in Schiefbahn zu stellen.

Auch in den anderen Ortsverbänden lief in den Folgejahren nicht alles reibungslos, dann, am Neujahrstag 1970, folgte im Zuge der kommunalen Neugliederung die Neubildung der Stadt Willich - womit auch die vier CDU-Ortsverbände Geschichte waren und ein Stadtverband gegründet wurde. "Der letzte Bürgermeister von Schiefbahn, Dr. Hans Lamers, wurde der erste der Stadt Willich. Auch den Posten des Stadtdirektors konnte die CDU besetzen, in diesem Fall mit dem Neersener Bernhard Hüsers", so Stadtarchivar Holzenthal.

 Der damalige Vorsitzende des Stadtverbandes, Hermann-Josef Schmitz, und Käthe Franke nach dem Sieg bei der Kommunalwahl 1984.

Der damalige Vorsitzende des Stadtverbandes, Hermann-Josef Schmitz, und Käthe Franke nach dem Sieg bei der Kommunalwahl 1984.

Foto: Stadtarchiv Willich

Mitte der 70er-Jahre begann es, zwischen CDU und SPD massiv zu knirschen - "Willicher Verhältnisse" wurde dieses Phänomen genannt. "Dieses war geprägt von gegenseitigem Misstrauen, persönlichen Verletzungen und teilweise handfesten Eklats", so Holzenthal. Am 29. März 1979 wurde mit Käthe Franke vom Stadtrat eine von sieben Bürgermeisterinnen in ganz NRW gewählt. Die "Willicher Verhältnisse" waren damit aber nicht beendet. Einer der Höhepunkte war die Ratssitzung vom 16. September 1982, die von der SPD-Fraktion boykottiert wurde. Im folgenden Streit platze der Bürgermeisterin dann der Kragen: Sie bezeichnete den Stadtrat als "undisziplinierten Haufen". Im Folgejahr näherten sich die Streithähne dann aber wieder an. 1985 übernahm Ralf Hasso Sagner den CDU-Fraktionsvorsitz - der gute Draht zwischen ihm und dem Fraktionschef der SPD, Bernd-Dieter Röhrscheid, führte endgültig zur Überwindung der Willicher Verhältnisse.

 Uwe Schummer (links) überreicht Hans Brocker die Ehrenurkunde.

Uwe Schummer (links) überreicht Hans Brocker die Ehrenurkunde.

Foto: CDU

"Das Jahr 1989 brachte der CDU den ersten großen Rückschlag seit der Kommunalen Neugliederung: Sie verlor bei der Kommunalwahl rund 4 Prozent und damit auch erstmals die absolute Mehrheit. Da sich die FDP aber bereiterklärte, eine Wiederwahl von Käthe Franke mitzutragen, war die Kontinuität an der Stadtspitze gesichert", so Holzenthal. Dazu trug auch die die Wahl von Dieter Hehnen zum Stadtdirektor bei, nachdem sich Hans Lamers nach über 20 Jahren aus der Willicher Politik zurückgezogen hatte. Am 29. September 1994 ging eine Ära zu Ende: Zum letzten Mal leitete Käthe Franke eine Ratssitzung.

Die CDU schickte ihren bisherigen Stellvertreter Josef Heyes ins Rennen und verfehlte bei der Kommunalwahl mit 48,5 Prozent die absolute Mehrheit nur um knapp 700 Stimmen. Eine Änderung der Gemeindeordnung bescherte der CDU eine Schlappe: Nach fast 50 Jahren wurde die Doppelspitze zugunsten eines hauptamtlichen Bürgermeisters abgeschafft. Eine Ampelkoalition aus SPD, FDP und Grünen wählte den Beigeordneten und Sozialdemokraten Lukas Siebenkotten. "Es folgten Wochen und Monate, die mit ihren gegenseitigen Anschuldigungen und teils tumultartigen Ratssitzungen an die Willicher Verhältnisse erinnerten. Erst langsam beruhigte sich die Lage wieder", beschrieb Udo Holzenthal die damalige Situation.

1999 brachte die Wiederauferstehung der Willicher CDU. Mit 54,5 Prozent der Stimmen holte sie nach zehn Jahren die absolute Mehrheit zurück, und Josef Heyes siegte bei der ersten Direktwahl des Bürgermeisters. "Die Jahre nach 1999 brachten den Generationswechsel: Jüngere Ratsmitglieder wie Nanette Amfaldern, Johannes Bäumges, Guido Görtz, Siegfried Kirsch oder Christian Pakusch übernahmen nun wichtige Ämter, unterstützt von alten Haudegen wie Franz Auling oder Dieter Lambertz", so Holzenthal gegen Ende seines Vortrags. 2014 verlor die CDU ihre absolute Mehrheit im Rat allerdings wieder.

(RP)
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