Interview: Siegfried Thomassen Action medeor erfindet sich gerade neu

Willich · Der Vorstand der Sparkasse Krefeld wurde zum Präsidenten des Deutschen Medikamentenhilfswerks action medeor gewählt. Er lebt mit seiner Familie in Vorst und wurde über die ehrenamtliche Arbeit mit Firmlingen auf das Hilfswerk aufmerksam.

 Siegfried Thomaßen (58), bisher Beisitzer des Präsidiums, wurde als Nachfolger von Heinz Gommans zum Präsidenten des Medikamentenhilfswerks action medeor gewählt. Beruflich ist er Mitglied des Vorstandes der Sparkasse Krefeld.

Siegfried Thomaßen (58), bisher Beisitzer des Präsidiums, wurde als Nachfolger von Heinz Gommans zum Präsidenten des Medikamentenhilfswerks action medeor gewählt. Beruflich ist er Mitglied des Vorstandes der Sparkasse Krefeld.

Foto: WK

Nach 13 Jahren im Amt kandidierte Präsident Heinz Gommanns nicht mehr. Der 68-Jährige erhielt für seine Arbeit die Verdienstmedaille des Medikamentenhilfswerkes. Zum neuen Präsidenten wurde auf der Mitgliederversammlung im Juni Siegfried Thomassen, Vorstand der Sparkasse Krefeld, einstimmig gewählt. RP-Redakteur Heribert Brinkmann sprach in der Zentrale von action medeor in Vorst mit dem neuen Präsidenten. Mit dabei auch Geschäftsführer Bernd Pastors.

Herzlichen Glückwunsch, Sie wurden auf der Mitgliederversammlung zum neuen Präsidenten von action medeor gewählt und das im Jahr des 50. Bestehens, das im September noch groß gefeiert wird. Sie sind beruflich als Sparkassen-Vorstand in Krefeld stark eingebunden. Was ist Ihre Motivation gewesen, sich in dieses Amt wählen zu lassen?

SIEGFRIED THOMAßEN Das Präsidium des Medikamentenhilfswerks ist ein beratendes Gremium. Wir können uns auf eine hochprofessionelle Mannschaft, die die Welt und ihre Probleme kennt, verlassen. Heute ist action medeor in über 100 Ländern auf der Welt aktiv. Meine Motivation ist ganz einfach: Ich finde, wenn es einem gut geht, darf man das auch mit anderen teilen. Ich bin von klein auf mit Ehrenämtern groß geworden, als Junge war ich schon bei den Pfadfindern aktiv.

Wie haben Sie die action medeor kennengelernt?

THOMAßSEN Ich bin mit meiner Frau 1986 nach Vorst gezogen, weil wir hier gebaut haben. Ich habe mich zuerst in der Pfarrgemeinde engagiert. So habe ich Anfang der 90er Jahre bei der Firmvorbereitung mitgearbeitet. Dabei haben wir auch das in Vorst benachbarte Medikamentenhilfswerk besucht. Um den jungen Menschen nachvollziehbar zu machen, was es bedeutet, wie Menschen in Afrika lange Wege für sauberes Trinkwasser machen müssen, haben wir in der Gruppe 10-Liter-Kanister Wasser zehn Kilometer geschleppt - von Kempen zu Fuß nach Vorst. Und als action medeor sein 40-jähriges Bestehen feierte, hat die Pfarrgemeinde St. Godehard auf ihr eigenes Pfarrfest verzichtet und zusammen mit action medeor gefeiert. So bin ich action medeor immer näher gerückt, und 2007 wurde ich Schatzmeister im Präsidium.

Was hat das Präsidium heute zu leisten? Es gibt doch einen Vorstand mit zwei hauptamtlichen Geschäftsführern.

THOMASSEN Es geht eigentlich um die klassischen Controllingaufgaben. Das Präsidium setzt sich aus fünf Mitgliedern zusammen, die eine breite Kompetenz einbringen. Da gibt es zum Beispiel den Wirtschaftsprüfer, den Geschäftsführer der Apothekerkammer oder den Mediziner.

Wie oft kommt das Gremium zusammen. Und wie arbeitet man über ganz Deutschland verteilt zusammen?

THOMASSEN Das Präsidium trifft sich alle zwei Monate und arbeitet eine straffe Tagesordnung ab. Wir sollen die Entwicklung kontrollieren und intervenieren, wenn etwas in die falsche Richtung geht. Außerdem nehme ich alle 14 Tage an einer Besprechung mit allen Abteilungsleitern teil und stehe außerdem in direktem Kontakt mit dem Vorstand. Ich selber arbeite seit 37 Jahren bei der Sparkasse und habe eine schöne Karriere gemacht. Gerade deshalb freue ich mich trotz meines engen Zeitfensters, die Möglichkeit zu haben, mich bei action medeor nun noch stärker als bisher einbringen zu können.

Was haben Sie sich für Ihr Amt in Zukunft vorgenommen?

THOMASSEN action medeor hat sich in den vergangenen 50 Jahren enorm entwickelt und steht auch jetzt wieder vor großen Veränderungen. Am Anfang operierte action medeor allein von Vorst aus. Inzwischen haben sich die Importbedingungen vieler afrikanischer Länder geändert. Das ist ein Grund, warum action medeor in Dar es Salaam in Tansania für 1,3 Millionen Euro ein Medikamentenlager aufgebaut hat, ein weiteres im vergangenen Jahr im tansanischen Masasi und nun ein drittes Medikamentenlager in Malawi gründet. In vielen Entwicklungsländern tauchen immer wieder gefälschte Medikamente auf dem Markt auf, und außerdem kommt es oft zu Lieferengpässen. Das ist ein weiterer Grund, warum action medeor dazu beitragen möchte, die staatlichen Verteilersysteme, aber auch die Qualitätssicherungssysteme zu verbessern. Tönisvorst wird auch in Zukunft die Hauptbasis sein, die Medikamentenhilfe wird mit 7,1 Millionen Euro das Kerngeschäft des Hilfswerkes bleiben. Das, was action medeor einzigartig macht, ist die Notfallhilfe im Katastrophenfall.

Wieso einzigartig?

Bernd Pastors Wir können innerhalb kürzester Zeit helfen, wenn wir einen Hilferuf erhalten, wie etwa beim Bürgerkrieg in Syrien. Als die Philippinen vom Taifun bedroht wurden, haben wir bereits Tage vorher ein Netzwerk koordiniert, um dann Ansprechpartner vor Ort zu haben. Nach dem Erdbeben auf Haiti haben wir schnell geholfen, aber auch lange weitergemacht. Aus Haiti haben wir uns gerade jetzt erst zurückgezogen.

Aber das Afrika-Engagement ist ja eine Daueraufgabe.

THOMAßSSEn Richtig. Vor drei Jahren haben wir überlegt, wie sich die Welt verändert hat. In unserer Strategieplanung haben wir dann entschieden, verstärkt außerhalb Europas vor Ort zu agieren. Gemäß unserer Leitlinie "Jeder Mensch soll eine Gesundheitsversorgung erhalten" versuchen wir vor allem in Afrika vor Ort, Hilfe zur Selbsthilfe zu geben.

BERND PASTORS action medeor ist weltweit ein wichtiger Ansprechpartner der WHO geworden. Mit unserer Erfahrung sind wir eine exponierte NGO. Doch wir wissen auch, dass wir alleine nicht die Welt retten können. Wir unterstützen deshalb in den afrikanischen Ländern den Aufbau eigener Kontrollbehörden. Die erste große Innovation unseres Gründers Dr. Ernst Boekels war die Entscheidung 1967, selber Generika von dringend benötigten Medikamenten herstellen zu lassen. 50 Jahre später verwirklichen wir die Vision, Medikamente in Afrika direkt zu verteilen und sogar vor Ort zu produzieren.

Werden Sie sich selber ein Bild von action medeor vor Ort machen?

THOMASSEN Anfang November werde ich für eine Woche nach Tansania reisen und dort unser Medikamentenlager besichtigen. Ich finde es spannend, die Arbeit vor Ort kennenzulernen. Die direkte Erfahrung gehört dazu, damit man weiß, worüber man redet.

Vielen Dank für dieses Gespräch.

(RP)
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