Stadt Willich Alltag + Überhöhung = Brüller

Stadt Willich · Kabarettist Markus Barth gastierte im Neersener Schloss. Die Gagdichte stimmte, doch oft ging es ziemlich seicht zu.

Darf man am Tag nach den Terroranschlägen von Paris unbefangen lachen? - "Ja", meinte der Kabarettist Markus Barth, auch wenn ihn das "sehr beschäftigt" habe. "Wir haben ein Recht auf Unterhaltung, Redefreiheit und Humor", stellte er zu Beginn seines Programms "Mitte 30 und noch nicht mal auferstanden" im Neersener Schloss klar. Der Titel des Abends ist schnell erklärt: Jesus war in Barths Alter bereits auferstanden, Mozart hatte schon über 20 Opern komponiert, Hannibal die Alpen überquert. Folgerichtig überblickt Barth sein eigenes Schaffen und erklärt sich für gescheitert. Oder doch nicht? Immerhin sei er mit Mitte 30 "zu alt, um vorm Club nach dem Ausweis gefragt zu werden und zu jung, um jemanden abholen zu müssen". Es gibt Themen, die gehen immer. Das Thema Alter gibt Gelegenheit, um damit zu kokettieren. Er bittet um Saallicht, will den Altersschnitt des Publikums einschätzen. Als es wieder erloschen ist, bezieht er die Anwesenden hier und da mit ein. Nach Bauer-sucht-Frau-Guckern und RTL-Fans gefragt, bleiben die Hände unten. "Oh, ein Premium-Publikum", frotzelt Barth und lacht selbst am lautesten.

Thema Zwei, Ernährung. Sein Hund habe ihm ein Steak vom Teller geklaut und dann erst gemerkt, dass es Tofu war. Daraufhin habe ihm der Vierbeiner etwas aus seinem Napf anbieten wollen - die Gag-Dichte stimmt, nur bleibt es seicht. "Lesen Kohlenhydrate die Uhr?", hinterfragt Barth den "Low-Carb"-Trend. Und weiter: "Was bekommen Vegetarier in Bayern zum Schweinebraten? - Messer und Gabel." In der heutigen Welt fühle er sich "gezwungen, jeden Quatsch ohne Murren mitzumachen". Barth redet von seiner "Bullshit-Toleranz", kurz BST, also dem Drang wegzulaufen, wenn Dumpfbacken reden. Als Beispiel halten offenes W-Lan ("Muss ich damit zum Arzt?"), der ARD-Tatort ("Wenn einem ein Krimi zu spannend ist") und schwarze Funktionswäsche von Joggern ("Batman ohne Kappe") her. Na klar: Um mich herum ist jeder dumm. Rechtfertigung nach dem Autofahrer-Prinzip.

Barths Witzverständnis folgt der Gleichung Alltag plus Überhöhung gleich Brüller. So legt er sich "Reißnägel auf die Couch, um nicht so viel rumzulungern" und sinniert über gebleichte Zähne: "Damit kannste `n Bundesligaspiel ausleuchten". Seine Homosexualität macht Barth ebenfalls zum Thema, wirbt für Toleranz und Gleichberechtigung. Am Ende aber spult er sein Programm ab, wo Großmeister des komischen Fachs hingegen Parallelen zur aktuellen Weltlage gezogen hätten. Diese offene Chance hat Barth nicht erkannt.

(tone)
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