Stadt Willich Barfuß durch die Scherben

Stadt Willich · Zirkusluft weht derzeit durch die Astrid-Lindgren-Schule. Der "Circus ohne Grenzen" hat sein Zelt auf dem Schulhof aufgeschlagen. In der Projektwoche stehen Akrobatik und Jonglage statt rechnen und lesen auf dem Stundenplan.

 Im Zirkuszelt selbst trainiert die Jonglage-Gruppe. Andere Kinder üben in den Klassenräumen oder der Turnhalle für ihren großen Auftritt am Wochenende.

Im Zirkuszelt selbst trainiert die Jonglage-Gruppe. Andere Kinder üben in den Klassenräumen oder der Turnhalle für ihren großen Auftritt am Wochenende.

Foto: Wolfgang Kaiser

"Ihr könnt euch schon die Schuhe und Socken ausziehen", sagt Nadine Albus. In der Bücherei der Astrid-Lindgren Grundschule setzt daraufhin rege Betriebsamkeit ein. Grundschüler parken Schuhe und Co. ordentlich vor den Bücherregalen und stehen Sekunden später barfuß auf den ausgelegten Matten. Die Mitarbeiterin vom "Circus ohne Grenzen" greift zu einem schwarzen Tuch und faltet es auseinander. Ein großer Haufen Glasscherben wird sichtbar, was die Kinderaugen zum Glitzern bringt. Die Vorfreude auf das, was gleich kommen wird, steht allen ins Gesicht geschrieben.

Dem ersten Tuch folgen drei weitere, die allesamt den gleichen Inhalt haben. Aufgeregtes Wispern geht durch die Kinderschar. "Wo ist meine Freundin?", will Albus wissen und legt eine kurze Pause ein, um mit leiser Stimme den Satz "Die absolute Stille" nachzuschieben. Es wird zugleich ruhig. Was nun kommt, verlangt absolute Konzentration und kann nicht durch Schwatzen begleitet werden. "Fakir-Haltung einnehmen. Die ersten vier bitte nach vorne", ordnet Albus an. Julian, Sila, Merle und Léon treten, die Arme vor der Brust verschränkt, vor. Vorsichtig setzt jeder den ersten Fuß von oben in die Glasscherben. Der zweite folgt. Alle vier breiten die Arme aus und bleiben eine Zeit lang stehen, dann drehen sie sich in den Scherben einmal um die eigene Achse, um danach den ersten Fuß aus der scharfkantigen Masse herauszuheben, am Hosenbein abzustreifen und den zweiten Fuß folgen zu lassen. Die restlichen Grundschüler und Albus applaudieren. Dann sind die nächsten vier an der Reihe. Ebenso konzentriert und sorgfältig stellen sie sich mit den bloßen Füßen auf die Scherben.

Aber nicht nur in der zum Fakirraum mutierten Bücherei geht es circensisch zu. Aus den 199 Grundschülern sind allesamt junge Artisten geworden, die sich für eine Woche weniger mit rechnen, schreiben und lesen beschäftigen, sondern sich dafür in Zauberei, Akrobatik, Jonglage, Seiltanz und Clownerie üben oder zu Fakiren werden. Zum nunmehr dritten Mal führt die Schiefbahner Grundschule ein Zirkusprojekt durch. Im Rahmen einer Projektwoche gastiert Alexander Koplin mit seinem "Circus ohne Grenzen" in der Schule.

Das große, 320 Zuschauer fassende rot-champagnerfarbene Zelt steht auf dem Schulhof. Seine Mitarbeiter sowie 30 eigens geschulte Lehrer und Eltern leiten die Kinder eine Woche lang jahrgangsübergreifend in den verschiedenen Workshops an. Von 8 bis 13 Uhr dreht sich alles um das Thema Zirkus. "Wir haben zwei Gruppen gebildet. Während die einen trainieren, beschäftigten sich die anderen zum Thema Zirkus mit Arbeitsprojekten", informiert Cerstin Pelz. Der Schulleiterin liegt das Zirkusprojekt mehr als am Herzen. Es fördere nicht nur das Gemeinschaftsleben, sondern sei für jedes einzelne Kind eine besondere Chance, sich zu entfalten und nicht nur als normaler Grundschüler wahrgenommen zu werden.

Bei den Fakiren liegen Fritz, Aaron, Frederick und Taylor indes mit den Bäuchen in den Scherben und lächeln vergnügt, als vier Mädels auf ihre Rücken steigen. "Immer daran denken: zuerst den Schulterfuß, dann den anderen", erinnert Albus. Im Foyer wirbeln Tücher und Ringe durch die Luft. Die Jonglage-Truppe ist bei der Arbeit. Herzliches Lachen ist hinter der nächsten Klassenzimmertür zu hören. Die Clowns proben gerade die Sequenz "Rollmops und Hering".

Die Turnhalle gehört indes den Akrobaten und Seiltänzern. Erstere bauen gerade eine Menschenpyramide, während Sophie im hinteren Bereich der Halle schon gekonnt über das gespannte Seil balanciert. Aber auch in der Manege des Zeltes herrscht bereits Leben. Hier geht es geheimnisvoll zu. Die Zauberer sind nämlich bei der Arbeit. Schließlich sollen die Besucher eine perfekte Illusion bei den Aufführungen am Freitag und Samstag erleben.

(tref)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort