Stadt Willich Bauern verärgert über Entschädigungen

Stadt Willich · Das Unternehmen "Open Grid Europe" plant den Bau einer 215 Kilometer langen Erdgas-Pipeline durch NRW. Landwirte beklagen, dass die für sie vorgesehenen Entschädigungen in keinem Verhältnis zur großen Rendite der Investoren stehen.

 Für das Großprojekt Zeelink ist eine Investitionssumme in Höhe von 600 Millionen Euro veranschlagt.

Für das Großprojekt Zeelink ist eine Investitionssumme in Höhe von 600 Millionen Euro veranschlagt.

Foto: OPEN GRID EUROPE

"Der Gasleitungsbau hat den Segen der Bauern" hieß eine Schlagzeile, nachdem Anfang des Jahres für die neue Erdgasfernheizung die Landwirtschaftsverbände (Rheinland und Westfalen) mit der Projektgesellschaft "Zeelink" eine Rahmenvereinbarung getroffen hatten. Mit dem "Segen" ist das allerdings so eine Sache. Denn einige Landwirte aus Willich und Kempen melden sich jetzt zu Wort, sprechen vor allem für einen Segen für den Investor, nicht aber für die Flächeneigentümer, die für die Pipeline auf ihrem Gebiet eine geringe Entschädigung erhalten sollen.

Erst vor wenigen Tagen hatten sich etwa 40 Landwirte, auf deren Areal sich insgesamt etwa die Hälfte des etwa 216 Kilometer geführten Strangs befinden, mit einigen Anwälten getroffen. Die Landwirte kamen aus den Kreisen Kleve, Wesel und Viersen sowie aus der Stadt Krefeld. Peter Friesen, Willicher Ortslandwirt, kommentiert zunächst: "Sicherlich ist solch eine Vereinbarung wichtig, was beispielsweise beim Bau die effektivste und bodenschonendste Methode angeht, aber hier scheint doch einiges nicht im Gleichgewicht zu sein."

 Die Willicher Landwirte Peter Friesen und Theo Heyes fürchten Einschränkungen bei der Bewirtschaftung ihrer landwirtschaftlichen Flächen.

Die Willicher Landwirte Peter Friesen und Theo Heyes fürchten Einschränkungen bei der Bewirtschaftung ihrer landwirtschaftlichen Flächen.

Foto: Wolfgang Kaiser

Peter Friesen, der vom Ortslandwirt für die gesamte Stadt Willich, Theo Heyes, unterstützt wird, meint in erster Linie, dass einerseits der oder die Investoren dieses Projektes erhebliche Renditen erhalten würden, während die Flächeneigentümer mit "Peanuts" zufriedengestellt werden sollen. Friesen und Heyes werden konkret: "Rund 650 Millionen Euro soll das Projekt kosten; dies wurde uns von mehreren Seiten bestätigt. Und den Investoren, die dies mit ihren Geldern ermöglichen, ist vom Betreiber eine Rendite von jährlich 7,2 Prozent in Aussicht gestellt worden - jährlich."

Der Rheinischen Post liegen die mit den Landwirtschaftsverbänden (Rheinland und Westfalen) getroffenen "Rahmenregelungen für die Erdgasfernleitung Zeelink" vor. In dieser Vereinbarung heißt es unter anderem, dass es für die betroffenen Eigentümer im Kreis Viersen (also für Kempen, Tönisvorst und Willich) eine "Dienstbarkeitsentschädigung" von drei Euro pro Quadratmeter Fläche gibt. Dadurch seien Verkehrswerte der betroffenen Grundstücke bis zu einem Wert von 15 Euro pro Quadratmeter abgegolten. Einen Euro gibt es als zusätzliches Entgelt extra, wenn der Vertrag spätestens acht Wochen nach dem Angebot geschlossen wird. Und diese Entschädigung gibt es nur einmalig.

Peter Friesen macht dazu ein Rechenbeispiel: "Bei einem Finanzvolumen von 650 Millionen Euro beträgt die jährliche Rendite, ausgehend von 7,2 Prozent, 46,8 Millionen Euro. Teilt man diesen Betrag durch die 216 Kilometer lange Pipeline-Strecke und setzt in der Breite einen Flächenbedarf von zehn Metern zugrunde, macht der Investor auf den Quadratmeter bezogen einen Gewinn von 21,60 Euro - und das in jedem Jahr."

Derzeit, dies bestätigen einige Landwirte, würden bereits von Zeelink Verhandlungen mit den ersten Grundstückseigentümern geführt, liegen also die Vertragsangebote vor. Ein Landwirt aus Kempen, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, kommentiert ebenfalls so: "Uns ärgert besonders, dass unter dem Deckmäntelchen des öffentlichen Interesses und der drohenden Enteignung der Betreiber große Gewinne erwirtschaftet werden." Dies sei ein deutliches Ungleichgewicht, habe mit Fairness überhaupt nichts zu tun und bringe eine unbegreifliche Übervorteilung.

"Da stimmt doch hinten und vorne was nicht", ärgert sich Friesen, dass man die Eigentümer so abspeisen will. "Das ist überhaupt nicht fair, das ist nicht angemessen, die Eigentümer sind die Dummen", so sagt es ein betroffener Landwirt aus Anrath. Zumal es durch die Pipeline-Trasse Einschränkungen bei der Bewirtschaftung der entsprechenden Flächen gebe. Und was sie weiter empört: dass sogar schon von der Möglichkeit einer Enteignung gesprochen worden war, mit der Gefahr, dass dann noch weniger gezahlt werde. Jedenfalls hoffen die Landwirte auf ein besseres Angebot. Peter Friesen: "Vielleicht kann uns die Politik noch helfen."

Für den Betreiber, die Open Grid Europe GmbH, nennt Pressesprecher Helmut Roloff keine konkreten Quadratmeter-Preise, bestätigt aber die derzeitigen Verhandlungen und generell das Vertragsangebot mit dem zusätzlichen Entgelt.

Wie ist ansonsten der Stand des Verfahrens? Dazu teilt Helmut Roloff auf Nachfrage mit, dass ab Mitte September die Offenlage der Planfeststellungsunterlagen erfolge. Die beantragte Trasse soll von südlicher und nördlicher Richtung zwischen Willich und Krefeld verlaufen und an Tönisvorst westlich vorbeiführen. Roloff: "Danach verläuft die Antragstrasse weiter in nördlicher Richtung auf die Station St. Hubert zu."

Das Planfeststellungsverfahren soll, so der Betreiber, Ende 2018 abgeschlossen sein. Dann könne auch umgehend mit dem Bau der neuen Pipeline begonnen werden. Die Fertigstellung und Inbetriebnahme von Zeelink ist für März 2021 geplant.

(wsc)
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