Stadt Willich Das Fries Nuss Quartett: Jazz aktuell und anregend

Stadt Willich · Ob Pilze klingen können? Das Fries Nuss Quartett beantwortete diese Frage bei seinem Auftritt im Neersener Schloss mit einem klaren Ja. Die sechs Jahre alte Eigenkomposition "Funghi" schmeckte richtig reif, nicht ranzig. Gut abgehangen war sie, mit frischer Schärfe garniert. Der zweite Akt des diesjährigen Willicher Jazzfrühlings brachte juvenile Spielfreude aufs Notenblatt, er ließ die Herzen der rund 100 Zuhörer erblühen.

 Heinrich Fries (Saxofon) und Benyamin Nuss (Piano) gaben dem Quartett den Namen. Am Bass Robert Schulenburg, Schlagzeug Simon Busch.

Heinrich Fries (Saxofon) und Benyamin Nuss (Piano) gaben dem Quartett den Namen. Am Bass Robert Schulenburg, Schlagzeug Simon Busch.

Foto: ACHIM HÜSKES

Anderthalb Stunden erwuchsen kleine Klangknospen aus winterharter Erde, verführerisch bunte Songs mit Elementen des Modern Jazz und Minimal verzauberten vorzüglich. Den Abend eröffnete Saxophonist Heinrich Fries leicht-seicht, ehe Pianist Benyamin Nuss den simplen Add-2-Akkord mit komplexeren Clustern umsäuselte. Ein gefälliger Klangraum tat sich unter Einbezug der Rhythmussektion auf, licht und strahlend, mit großer Lunge und sattem Atem. Cressendo.

Vier, die Geschichten erzählen: "Die nun folgende Ballade handelt von einem Freund, der generell auf einem guten Wege war, ehe es ihn ins gesellschaftliche Abseits trieb", sagt Fries und umklammert 's Blech. So nebulös offen die Ansage ist, so interpretativ lässt der rührige Besen die Sorgen und Nöte jenes Freundes erkennen. Auch ohne solche Fingerzeige ist die Musik der Vier an Dichte kaum zu überbieten. Als konzentrierte Einheit fordern und fördern sie genaue Ohren.

Mit wissendem Lächeln und geschlossenen Augen bemerkt Nuss, dass sich die Improvisation dem Ende neigt. Ein Abschluss, dem Neues innewohnt, nämlich die Elegie zu Fukushima - ein alptraumartiges Gebilde voller Anspannung. Einzig und allein ein Tritonus vermag es, die Fratze des Horrors zu entblößen und ihr giftig-grün entgegenzustrahlen. Musik auf der Höhe ihrer Zeit ist das, aktuell und anregend.

Nächster Song, andere Farbe: Einer interessanten Frau gleich kokettiert "Tracy" zuerst mit sanftem Augenaufschlag, ehe sie sich elegant im offenen Siebener bewegt. Bei so viel Verve tauschen die "Jungs" ihre Rollen: Das Piano schlägt mit stark rhythmisierten Hüpfern ein Rad, während das zweite Drum-Becken synthesizerartige Flächen des entstehenden Gesamten per Handarbeit (groß: Simon Busch) auskleidet. Anschließend liefern sich Saxophon und Klavier ein call-and-response-Rennen, dass es nur so plätschert. Ganz klar: Das Fries Nuss Quartett empfahl sich als spielfreudiges Ensemble mit großem Potenzial.

(tone)
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