Willich/Tönisvorst Das Höfesterben wird weitergehen

Willich/Tönisvorst · Französische Bauern wehren sich spektakulär gegen den Preisverfall bei Lebensmitteln. Heimische Bauern ackern fleißig weiter, haben aber alle dasselbe Problem, sagt ihr Kreisvorsitzender Paul-Christian Küskens.

 Um etwa einen Meter ist der Mais zurzeit im Wachstum zurück. Dass die Pflanze das noch aufholt, ist eher unwahrscheinlich.

Um etwa einen Meter ist der Mais zurzeit im Wachstum zurück. Dass die Pflanze das noch aufholt, ist eher unwahrscheinlich.

Foto: Busch

Gegensätzlicher kann das Bild kaum sein. In Frankreich treiben Bauern Schweine aus Protest gegen viel zu niedrige Fleischpreise in Supermärkte, und gegen die "Billig-Konkurrenz" aus Deutschland blockieren sie Straßen und Brücken zum Nachbarland. Am Niederrhein grummeln Bauern über nicht auskömmliche Erzeugerpreise und hohen bürokratischen Aufwand beim Mindestlohn. Aber sie beackern auch weiterhin brav ihre Felder.

Die Frage, ob jetzt ein Riss durch die sonst weitgehend geschlossene Front der Landwirte in der EU geht, verneint Paul-Christian Küskens. Der Vorsitzende der Kreisbauernschaft, er ist zugleich Kreislandwirt, sieht nur unterschiedliche Temperamente am Werk. "Wir protestieren auch gemeinsam bei der EU in Brüssel, nur muss man dabei aufpassen. Die französischen Kollegen neigen zu rabiaten Aktionen. Da fliegen auch mal Pflastersteine. Während die eine Autobahn blockieren, überlegen wir uns das und lassen es wegen der möglichen Folgen sein", sagt Küskens. Die Zielrichtung der Kritik sei aber identisch.

Der Mindestlohn bereite den Kollegen - er beschäftigt keine Saisonarbeiter aus Osteuropa - erhebliche Probleme. "Die Osteuropäer kommen hierher, um in drei Monaten so viel Geld wie möglich zu verdienen. Dass wir ihnen nach acht bis zehn Stunden aber ein Stoppzeichen setzen und sie selbst zusätzlich ihre Arbeitsstunden dokumentieren müssen, sorgt deutlich für Irritationen", hat Küskens erfahren. Einige Betrieben setzten Chips ein, um Arbeitszeiten festzuhalten.

"Die Situation auf den Höfen spitzt sich unzweifelhaft zu. Es ist unrealistisch, wenn die Politik davon redet, die kleinteiligen Strukturen der Landwirtschaft erhalten zu wollen. Der freie Markt hat andere Gesetze, die sich übrigens auch über Initiativen zum Tierwohl und viele andere gut gemeinte Aktionen aus den Verbraucherkreisen hinwegsetzen", stellt der Niederkrüchtener Landwirt fest. Im Februar hätten Milchbauern noch optimistisch auf die Preisentwicklung geschaut, heute liege der Milchpreis im Keller. Die Gesetze am Markt seien andere geworden. "Verträge werden gemacht, wenn Aldi einen Abschluss gemacht hat. Der Marktmacht der fünf oder sechs noch vorhandenen Abnehmer haben wir Erzeuger nichts entgegenzusetzen."

Küskens nervt die anhaltende Kritik an herkömmlicher Landwirtschaft. Es sei leicht, gegen Massentierhaltung zu protestieren. "Hat ein Kollege weniger Schweine im Stall, dann muss man bereit sein, ihm für das einzelne Tier mehr zu zahlen. Ich fürchte, dass vor dem Regal mit billigstem Schweinefleisch im Supermarkt anders gehandelt als sonst geredet wird." Küskens beklagt, dass viele Angriffe auf Bauern über die Art und Weise ihres Wirtschaftens geführt werden, ohne dass Verbraucher tatsächlich wüssten, wie sich der Markt gestaltet. "Es triumphiert die billigste Ware. Wenn wir am Niederrhein andere Preise durchsetzen wollten, werden Abnehmer sich irgendwo anders in Europa und darüber hinaus nach Ersatz umsehen - und sie werden ihn finden."

Das Höfesterben wird weitergehen, fürchtet Küskens. Es werde immer schwieriger, auf mehreren Beinen zu stehen, wie es früher einmal üblich war. "Ohne immer stärkere Spezialisierung mit all seinen Vor- und Nachteilen überleben Landwirte künftig nicht mehr. Zu glauben, es ginge anders, ist romantisch, aber nicht die Wirklichkeit." Es gebe zwar eine wachsende Zahl an Verbrauchern, die kritischer seien. Letztlich aber gehe es immer um den Preis einer Ware.

Einen Ausblick auf das Erntejahr wagt Küskens noch nicht. Anhaltende Trockenheit in den Vormonaten hat den Bauern erhebliche Probleme bereitet. Weizen, Rüben, Kartoffel, selbst Mais werde bewässert. Die Ernte der Gerste sei gut ausgefallen, der Weizen ist jetzt an der Reihe. Zuckerrüben und Mais - "dem fehlt durchweg ein Meter Wuchshöhe" - könnten noch aufholen, was bisher fehle. Kartoffeln sind vermehrt über Verträge vorab vermarktet worden, der Anteil der freien Ware falle dieses Jahr geringer aus. Sorgen bereitet die Trockenheit den Bauern, die Futterpflanzen für ihr Vieh benötigen. "Das kann bereits im August eng werden", fürchtet Küskens.

(RP)
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