Stadt Kempen Das Lernen nicht als Zwang empfinden

Stadt Kempen · "Das Lernen lernen" hieß es jetzt am Gymnasium Thomaeum in Kempen. Der Verein "Lernverein Berlin" zeigte Eltern, wie Lernen funktioniert und der Nachwuchs darin optimal unterstützt werden kann.

Die erste breite Zustimmung von Seiten der Zuhörer drückt sich in Kopfnicken und übereinstimmenden Gemurmel aus. Die angespannte Eltern-Kind-Situation in Sachen Lernen, die Jürgen Möller gerade beschrieben hat, kennen alle, die sich in der Aula des Kempener Gymnasiums Thomaeum eingefunden haben. Doch warum die Vokabeln überhaupt nicht sitzen, obgleich der Nachwuchs die letzte halbe Stunde gelernt hat und es zur Belohnung fürs Lernen sogar eine Runde Fernsehen gab, schiebt der Gymnasiallehrer und Lerncoach vom "Lernverein Berlin" (LVB) Lernen anhand eines praktischen Beispiels mit Hilfe zweier Zuhörer direkt hinterher.

Die beiden Besucher sollen sich Zahlenreihen merken. Was mit kleinen Reihen zuerst sehr gut klappt, funktioniert mit längeren Varianten gar nicht mehr. Lernen ist nämlich nicht gleich lernen. Das Ultrakurzzeitgedächtnis kann sieben Einzelinformationen auf einmal speichern, dann ist es voll. Je mehr man versucht, auf einmal zu lernen, umso weniger funktioniert es. Kommt danach noch eine gut gemeinte Belohnung in Form von Fernsehgucken, so kann das Erlernte nicht optimal verarbeitet werden. Besser ist eine Entspannungspause, bei der vielleicht etwas gelesen wird. Kleine Lernpakete und kurze Pausen sind also das Zauberwort.

Das ist aber nur einer der vielen Tipps samt der dazugehörigen Hintergrunderklärung, warum etwas so ist, die Möller bei seinem Vortrag "Das Lernen lernen" für die Eltern in der Aula parat hält. Der Lerncoach informiert über die verschiedenen Lerntypen, angefangen beim logisch- abstrakten über den sicherheitsliebenden und den emotionalen bis hin zum kreativ-chaotischen Lerntyp. "Der größte Fehler liegt vor, wenn keine Rücksicht auf die Persönlichkeit genommen wird", betont der Lehrer. Er verdeutlicht, auch wieder anhand eines Teilnehmerexperimentes, wie strukturiertes Lernen hilft, sich Dinge leichter zu merken.

Der Unterschied zwischen lernen und wiederholen ist dabei vielen nicht klar. "Das Lernen passiert in der Schule, das Wiederholen liegt in der Eigenverantwortung und findet daheim statt", erläutert Möller und zeigt, wie Lernstoff richtig wiederholt wird, Kinder motiviert und Streit zwischen den Generationen vermieden werden kann. Unterhaltsam dynamisch führt der Lerncoach durch das spannende Thema, wobei die Eltern selber spielerisch lernen, wie das Lernen funktioniert und wo versteckte Fehler in der Kommunikation zwischen Eltern und Kindern liegen. Was gut gemeinte Sätze am Abend vor einer Arbeit, wie "Du brauchst keine Angst zu haben" anrichten können, weil das Gedächtnis ein negatives Wort speichert, ist für etliche Eltern absolut neu. Nicht permanent nach Schwächen und Fehlern suchen, sondern auf das schauen, was prima geklappt hat - oft sind es die einfachen Dinge, die in der Kommunikation zwischen Eltern Kindern weiterhelfen. Möller macht auch klar, wie wichtig schulfreie Zeiten sind. Das Gespräch beim gemeinsamen Essen sollte keine Schulthemen beinhalten, es sei denn, das Kind möchte darüber sprechen und fängt von sich aus an. Vergleiche mit Geschwistern oder anderen Kindern zu ziehen, ist ganz schlecht und äußerst demotivierend. Nicht Noten sollten belohnt werden, sondern die Anstrengung als solche, die ein Kind erbringt. Auch sollten es Eltern nicht persönlich nehmen, wenn ein Kind die gut gemeinten Tipps nicht annimmt. "Locker bleiben, auch wenn es schwerfällt", sagt Möller. Und ganz wichtig: Eltern sollten sich immer wieder an die eigene Schulzeit erinnern.

(RP)
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