Stadt Willich Den Vorgärten geht die Luft aus

Stadt Willich · Mit großer Sorge beobachtet der Nabu Willich einen Trend, der die Vorgärten betrifft. Immer mehr Bürger schottern die Plätze vor den Häusern. Eine Entwicklung, die zu Lasten der Natur und der Tierwelt geht.

Stadt Willich: Den Vorgärten geht die Luft aus
Foto: Kaiser Wolfgang

Viele haben es in diesem Winter an den im Garten aufgestellten Futterplätzen für Vögel gemerkt: Die Zahl der gefiederten Freunde, die dort anzutreffen waren, ist beachtlich zurückgegangen. Ein Grund liegt darin, dass die Tiere wegen Futtermangels ihre Brut nicht aufziehen konnten. Schon im vergangenen Jahr lagen in zahlreichen Nistkästen tote Jungvögel. Eine Ursache ist der Zurückgang der Artenvielfalt bei den Pflanzen. Dieser ist unter anderem auf ein "Sterben" der Vorgärten zurückzuführen.

 Horst und Christa Stinnertz (von links sowie Jack Sandrock und Werner Schmidt vom Willicher Nabu zeigen einen idealen Vorgarten.

Horst und Christa Stinnertz (von links sowie Jack Sandrock und Werner Schmidt vom Willicher Nabu zeigen einen idealen Vorgarten.

Foto: Wolfgang Kaiser

"Den Nabu-Mitgliedern ist vermehrt aufgefallen, dass immer mehr Grün vor den Haustüren verschwindet. Die Vorgärten verändern sich extrem, und das nicht zum Positiven. Bäume und Sträucher werden gerodet. Stattdessen entstehen Schottergärten", berichtet Werner Schmidt, der beim Nabu-Ortsverein Willich nicht nur der Gewässerexperte ist, sondern sich auch auf Vorgärten spezialisiert hat. Vorgärten in graue Schotteroasen zu verwandeln, ist ein Trend, der zu Lasten der Umwelt geht - und das gleich in verschiedenen Bereichen.

Wer sich für einen Schottergarten entscheidet, der entfernt in der Regel den Mutterboden. Der unversiegelte, belebte, natürliche Bodenkörper ist Nährstoffträger, Wasserspeicher sowie Filter und Lebensraum für Insekten und Würmer, von denen sich Vögel ernähren. Diese Bodenfläche dient darüber hinaus der Grundwassererneuerung. Die Erdschichten fungieren wie ein Filter, wenn das Regenwasser hindurchläuft. Zudem wird auf diesem Weg der Zufluss in die Regenwasserkanalisation verringert. "Ein Stück aktiver Hochwasserschutz", sagt Schmidt. Mit Stauden, Gehölzen, Bäumen und Blumen gestaltete Vorgärten böten einen attraktiven Lebensraum für Tiere: Blühende Pflanzen ernähren Wild- und Honigbienen. In Hecken und Bäumen brüten Singvögel, die dort auch Nahrung finden. Solche Vorgärten wirken temperaturausgleichend und verbessern das Stadtklima. Sie produzieren Sauerstoff, dienen der Luftreinhaltung und dem Lärmschutz.

"Die Summe der Vorgärten ist ein mehrere Hektar großer Stadtpark. Man könnte es als dezentralen Stadtpark bezeichnen", sagt Schmidt. Auch psychologisch tun Vorgärten Gutes: Mit ihrem Grün und den Blühten sorgen sie für Wohlbefinden. Dennoch entscheiden sich viele Bürger aufgrund der augenscheinlichen Pflegeleichtigkeit für einen Schottergarten. Doch was auf den ersten Blick pflegeleicht wirkt, ist es nicht. Spontanvegetation findet einen Weg, selbst wenn der Vorgartenbesitzer die Fläche mit Folie und Tragschichten unterlegt hat. Wer solchen Spontanvegetationen, die unter anderem in Form von Gräsern auftauchen, mit Pflanzenschutzmitteln zu Leibe rückt, begeht eine Ordnungswidrigkeit. "Pflanzenschutzmittel dürfen nicht auf befestigten Freilandflächen und nicht auf sonstigen Freilandflächen, die weder landwirtschaftlich noch forstwirtschaftlich oder gärtnerisch genutzt werden, angewendet werden", heißt es nämlich im Abschnitt vier, Paragraph zwölf des Pflanzenschutzgesetzes. Da eine solche Schotterfläche nicht gärtnerisch genutzt wird - was sie auch gar nicht kann, da ihr der Mutterboden fehlt - fällt sie unter das Gesetz.

"Auch können Vorgärten nicht einfach als Stellflächen für Fahrzeuge genutzt werden. Hier greift die Landesbauordnung", berichtet Udo Hormes von der Grünflächenplanung der Stadt Willich. Wer einen Vorgarten in eine Stellfläche verwandeln will, sollte sich daher immer vorab bei der Bauberatung erkundigen, ob es in dem betreffenden Fall überhaupt zulässig ist.

Das "pflegeleicht" aber auch anders geht, zeigen Nicht-Schotter-Vorgärten. Wer auf Bodendecker zurückgreift, einige heimische Stauden und Gehölze einsetzt oder sich für eine Wildblumenwiese entscheidet, der tut nicht nur der Umwelt Gutes, sondern erspart sich viel Arbeit.

(RP)
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