Serie Vor 220 Jahren Der Rückgriff auf alte Grenzverläufe

Im Detail erschließt sich nicht immer, was die Obrigkeit in Aachen zur Auswahl der Kantonsorte bewog. Es mögen neben praktischen Erwägungen, zum Beispiel das Vorhandensein entsprechender Bürolokalitäten, auch örtliche Einzelpersonen gewesen sein, auf deren republikanische Einstellung man sich gerne stützte und die im Einzelfall zudem noch der französischen Sprache mächtig waren. So spricht vieles dafür, dass der ausgesprochen opportunistisch agierende vormalige Neersener Amtmann Karl Joseph Lenders den Franzosen mit reichlicher Liebedienerei seine vorrevolutionäre Wirkungsstätte Neersen als Kantonsort schmackhaft gemacht hat.

Interessant ist aber auch der Umstand, dass bei der neuen Verwaltungseinteilung auf uralte Grenzziehungen zurückgegriffen wurde. Irmgard Hantsche hebt in ihrem "Atlas zur Geschichte des Niederrheins" ausdrücklich hervor: "Bei den Kantonen erfolgte vielfach eine Anlehnung an die alte Ämter-Einteilung". Viersen als besonders kleiner Kanton sollte offenbar den Zuschnitt beibehalten, den die jahrhundertealte geldrische Exklave Viersen gehabt hatte. Und dass Leuth, Hinsbeck, Grefrath und Lobberich zum Kanton Wankum geschlagen wurden, hatte gewiss damit zu tun, dass sie vormals gemeinsam zum geldrischen Amt Krickenbeck gehörten.

Ebenso deutlich erkennbar ist das Bemühen der Franzosen um ein gewisses Maß an Kontinuität bei der viel wichtigeren Bildung der Departements. Im Westen des Roer-Departements errichtete man die Departements "de la Meuse inférieure" (Niedermaas) und "des Bouches du Rhin" (Departement der Rheinmündungen).

Zu ihnen Verwaltungseinheiten gehörte aber nicht der nördlich von Venlo liegende Kanton Horst. Das Gebiet dieses links der Maas gelegenen Kantons hatte seit 1713 zum preußischen Teil des Herzogtums Geldern gehört und wurde nun Bestandteil des Arrondissement Kleve. Ganz umschlossen vom Roer-Departement war die Stadt Venlo, die schon vor der Revolution Bestandteil zu den nordniederländischen Generalstaaten gehört hatte.

Niederkrüchten, Oberkrüchten und Elmpt schlug man dem Departement Niedermaas zu, womit der historischen Tatsache Rechnung getragen wurde, dass diese Orte seit 1713 zu den österreichischen Niederlanden gehört hatten. Auch hier finden sich die alten Grenzverläufe in den französischen wieder.

Unabhängig von der Zugehörigkeit zu Departements, Arrondissements, Kantonen und Mairien war freilich das gemeinsame politische und kriegerische Schicksal, das alle genannten Orte und Gebiete bis zur Vertreibung der Franzosen 1813 erleiden mussten.

(plp)
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