Stadt Willich Dialog zum Völkermord

Stadt Willich · Am Freitag ist Gedenktag an den Genozid 1915 an den Armeniern. Zum Anlass schrieb der Historiker Michael Hesemann das Buch "Völkermord an den Armeniern". Den Anstoß zu diesem Buch gab es bei einem privaten Treffen in Neersen.

Die Armenier gedenken am 24. April des Beginns der Gräueltaten an ihrem Volk im Osmanischen Reich 1915, während des Ersten Weltkrieges. Nach armenischen Angaben kamen damals 1,5 Millionen Menschen ums Leben. Die Türkei hält diese Zahl für überhöht. Am Freitag wird der Bundestag das Thema debattieren. Rechtzeitig vor dem Gedenktag erschien im Münchner Herbig-Verlag das Buch "Völkermord an den Armeniern" des Düsseldorfer Historikers und Vatikanjournalisten Michael Hesemann. Die Idee zu diesem Buch entstand vor zwei Jahren in Neersen - auf der Feier zum 70. Geburtstag von Dr. Wolfgang Boochs im Februar 2013.

"Es war eine Zusammenkunft mit vielen anderen Akademikern in Willich, als wir uns zum ersten Mal trafen". So steht es gleich zu Anfang des Buches auf Seite 9 im Vorwort. Geschrieben hat es der Historiker Azat Ordukhanyan, bis 2014 Vorsitzender des Zentralrates der Armenier in Deutschland (ZAD). Die Neusserin Monika Werhahn-Mees , die sich mit einer eigenen Stiftung für den Kulturaustausch mit Armenien engagiert und das Granatapfel-Projekt ins Leben gerufen hat, konnte damals Azat Ordukhanyan gewinnen, nach Willich zu kommen und dort Hesemann zu treffen. Die beiden Historiker haben sich in der Folge mehrmals getroffen. Hesemann hat auf seine Einladung am Genozid-Gedenktag der Armenier 2013 in der Frankfurter Paulskirche gesprochen. Ordukhanyan hat das Vorwort zu Hesemanns Buch geschrieben.

Boochs firmiert als Rechtsanwalt, Steuerberater und Mediator, aber er hat bereits mehrere wissenschaftliche Bücher über die Kultur und Geschichte der koptischen Christen geschrieben. Nach dem so genannten arabischen Frühling wurden die Kopten in Ägypten wieder vermehrt verfolgt. Hier trifft sich Boochs Interesse und Netzwerk für die Kopten mit dem Engagement seines Nachbarns, CDU-Bundestagsabgeordneten Uwe Schummer, der sich im Stephanus-Kreis der CDU für verfolgte Christen in aller Welt einsetzt.

Wer Michael Hesemanns Buch "Völkermord an den Armeniern" liest, muss zu dem Schluss kommen, dass es sich bei der versuchten Ausrottung der Armenier nicht um eine ethnische Säuberung handelte, sondern eine gezielte Islamisierung des Osmanischen Reiches durch die Jungtürken. Das von ihnen geführte Komitee für Einheit und Fortschritt bildete eine Regierung, die unter dem Vorwand einer Umsiedlung die Armenier aus ihren Siedlungsgebieten am Kaukasusrand vertrieben und in langen Todesmärschen in die Wüsten von Syrien und des Zweistromlandes schickten. Dabei wurden die Menschen oft gleich massakriert oder starben an Erschöpfung und Auszehrung.

Wenn sich jetzt am Freitag der Bundestag mit der Armenien-Frage beschäftigt, geht es auch um ein offizielles Anerkennen von Schuld. Denn das Osmanische Reich war im Ersten Weltkrieg Verbündeter von Österreich-Ungarn und dem Deutschen Kaiserreich. Die Vertreibung und Ermordung des Armenier fand unter den Augen der deutschen Militärs und Regierungsvertreter statt. Hesemann beschreibt in seinem Buch sehr eindringlich, wie etwa deutsche Missionsschwestern auf ihrem Weg von Konstantinopel (heute Istanbul) in ein Lazarett in Mossul (heute Irak) Zeugen des Mordens wurden. Sie entdeckende Hunderte, Tausende Tote in den Schluchten des Taurus- und Amanus-Gebirges. Es waren die Leichname von Männern, Frauen und Kindern, die dort in ihr Verderben getrieben wurden.

Zum Gedenken an diesen Völkermord hat Monika Werhahn-Mees mit ihrem Granatapfel-Projekt eine Kunstaktion mit asylsuchenden Kindern und Jugendlichen aus aller Welt im Neusser Kulturkeller vorbereitet. Unter Anleitung von Künstlern, darunter auch Beate Krempe aus Anrath, werden die jungen Asylsuchenden ihre Ansichten über Genozid, Holocaust, Vertreibung gestern und heute zum Ausdruck bringen.

(RP)
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