Stadt Willich Die Wäscheklammern sind immer dabei

Stadt Willich · Kerstin Antkowiak hat eine große Leidenschaft: das Orgelspiel. Seit 25 Jahren ist die Anratherin an der Orgel in der evangelischen Kirchengemeinde Anrath-Vorst zu hören.

 Kerstin Antkowiak in ihrem Haus in Anrath. Dort hat sie ein Klavier stehen, auf dem sie übt. Dabei ist das Instrument mit einer Orgel und ihren 50 Registern kaum zu vergleichen.

Kerstin Antkowiak in ihrem Haus in Anrath. Dort hat sie ein Klavier stehen, auf dem sie übt. Dabei ist das Instrument mit einer Orgel und ihren 50 Registern kaum zu vergleichen.

Foto: Wolfgang Kaiser

Sonntagmorgens einmal lange ausschlafen, das kommt bei Kerstin Antkowiak äußerst selten vor. Wenn andere noch im Bett liegen oder gemütlich frühstücken, greift die 43-Jährige zu ihrer dicken Orgeltasche und macht sich auf den Weg in die evangelische Kirche in Vorst - denn dort beginnt um 9.30 Uhr der Gottesdienst, und dann sitzt die Anratherin an der Orgel und spielt. Seit nunmehr 25 Jahren ist sie die Organistin der evangelischen Kirchengemeinde Anrath-Vorst.

Von Vorst geht es im Anschluss nach Anrath, wo um 10.45 Uhr der Gottesdienst beginnt. "Ich bin schon so manches Mal auf dem letzten Drücker von Vorst nach Anrath geflitzt, weil die Predigt länger gedauert hat. Aber bislang habe ich es immer pünktlich geschafft", verrät Antkowiak lächelnd. Eins darf die Organistin dabei nie vergessen: die berühmte Orgeltasche. Diese Tasche ist ihr ständiger Begleiter, wenn sie im Einsatz ist. Denn in dieser befinden sich sämtliche Noten und die beiden umfangreichen Schlüsselbunde der evangelischen Kirche in Anrath sowie in Vorst. Dazu kommen Textmarker, Bleistift, Tesafilm und Wäscheklammern. "Die Wäscheklammern brauche ich, um Notenblätter am Orgelbrett zu befestigen oder Seiten im Gesangsbuch zu fixieren. Es ist nämlich äußerst ungünstig, wenn ein Buch während des Orgelspiels zufällt oder ein Windzug mir die Notenblätter runterweht", bemerkt Antkowiak mit einem Schmunzeln.

Musikbegeistert war die Anratherin schon von Kindesbeinen an. Nach der Blockflöte begann mit elf Jahren der Klavierunterricht. "Mein damaliger Lehrer war einer von der strengen Schule. Unterricht fiel nie aus, und ich habe 365 Tage im Jahr geübt", erinnert sich die 43-Jährige. Mit 15 Jahren wollte sie ein cooles Instrument spielen. Ihr schwebte die Rockgitarre vor, ihre Eltern dachten eher an die Orgel. Die Orgel trug den Sieg davon. "Meine Eltern haben mich zu einer Orgel geschleppt, und da hat es mich erwischt. Als ich das gigantische Instrument mit seinen 50 Registern, das mit Händen und Füßen gespielt wird, sah, war es um mich geschehen. Ich durfte es ausprobieren und war begeistert", erzählt Antkowiak.

Im August 1986 startete sie ihre Orgelausbildung bei Organist und Kirchenchorleiter Burkhard Steffen an der Orgel in der katholischen Kirche. Keine einfache Sache, wie die junge Frau damals feststellen musste. Zwischen Klavier und Orgel liegen Welten. Doch stetiges Üben brachte schnell Erfolge. Schon nach einem halben Jahr war Antkowiak so gut, dass sie in der evangelischen Kirche die Christmette spielte. "Wobei ich damals dermaßen aufgeregt war, dass ich Weihnachten gar nicht richtig genießen konnte. Schon eine Woche vorher habe ich nicht mehr geschlafen."

Die Kirchgänger waren von ihrem Orgelspiel begeistert, und es folgten unendlich viele weitere Einsätze während der Ausbildung. Als Antkowiak nach drei Jahren ihre Orgelausbildung erfolgreich abschloss, fegte sie mit ihrem Orgelspiel zwei weitere Anwärter um die nebenamtliche Stelle der Organistin für die Kirchengemeinde weg und erhielt die Stelle. Ob Abitur-Vorbereitungen, Studium in Trier, Essen und Düsseldorf, das Berufsleben - die Anratherin sitzt sonn- und feiertags sowie bei Sondergottesdiensten wie Hochzeiten an der Orgel und spielt. "Auch wenn am Wochenende mal gefeiert wird, ich bin immer pünktlich vor Ort", verrät Antkowiak.

Dass sie mit ganzen Herzen hinter dem Orgelspiel steht, kann jeder an ihren leuchtenden Augen ablesen, wenn sie erzählt. Hauptberuflich ist die Anratherin Konrektorin an einer Grundschule in Waldniel. "Ich liebe Kinder und die Musik. Beides habe ich zu meinem Beruf gemacht. Das ist einfach nur schön", strahlt Antkowiak, die selbst Mutter ist. Wie viele Gottesdienste es im Laufe der Jahre waren, die sie musikalisch begleitet hat, kann sie nicht mehr sagen. Da müsste sie in ihren Ringbüchern nachsehen. Denn darin hat sie jeden einzelnen Gottesdienst festgehalten und die von ihr gespielten Lieder aufgeschrieben.

(tref)
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