Stadt Willich Dr. Reinhold Becker ist der "Vater" des Stahlwerks in Willich

Eigentlich ist es den Krefeldern zu verdanken, dass in Willich ein Stahlwerk entstehen konnte: Es fing damit an, dass sich in der Samt- und Seidenstadt im Jahr 1900 die Stahlwerk AG gründete. Zum Direktor wurde etwa drei Jahre später Dr. Reinhold Becker. Da aber die Reingewinne immer weiter sanken und man sogar 1908 erhebliche Miese machte, trennte sich das Werk von Becker. Und dieser überzeugte den Willicher Gemeinderat am 17. Juni 1908, dort ein neues Stahlwerk zu errichten.

Becker erwarb bereits im September 1908 zunächst ein etwa 32 Morgen (etwa 80.000 Quadratmeter) großes Areal hinter dem Willicher Güterbahnhof zu einem Kaufpreis von rund 96.000 Mark. Becker baute direkt Wohnungen für 600 Arbeiter. Die Aufträge stiegen, sehr zum Ärgernis der Krefelder Stahlwerk AG. In Willich gab es in der Blütezeit dort mehr als 3000 Arbeitsplätze. 1917 kam noch ein Blechwalzwerk dazu.

Becker kaufte weitere Betriebe, unter anderem am Krefelder Hafen und in Reinickendorf. 1915 erwirtschaftete er mit all seinen Firmen einen Reingewinn von 4,3 Millionen Reichsmark. Auch in Willich wurden noch während des Ersten Weltkrieges Rüstungsgüter produziert. So entwickelten beispielsweise die Gebrüder Cönders 1915 die legendäre "Becker-Kanone". Nach dem Krieg verkaufte Becker diese Lizenz an eine Schweizer Maschinenbaufirma, die daraus eine Panzerabwehrkanone machte.

Jedenfalls ging es damals der Gemeinde Willich sehr gut. Dies änderte sich nach dem Krieg. Unter anderem durch Versorgungsengpässe, Reparationen und Auflagen der Besatzer ging die Produktion ab 1918 stark zurück. Becker, der 1924 starb, musste die Produktion immer stärker zurückfahren. 1930 wurde das Werk dann stillgelegt, 1932 ganz aufgelöst. Zwei Jahre später wurde das Areal an die Deutschen Edelstahlwerke AG verpachtet und 1939 verkauft. Bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges waren dort immerhin noch rund tausend Mitarbeiter beschäftigt.

Nach dem Zweiten Weltkrieg demontierten die alliierten Siegermächte die Produktionsanlagen, und die Gemeinde Willich verpachtete die Gebäude zunächst an mehrere kleine Gewerbebetriebe. Aber auch diese Betriebe erhielten nur kurze Zeit später von der Militärregierung die Kündigung.

Neuer Hausherr war dann bis 1993 die Britische Rheinarmee mit einer Pioniereinheit. Die Briten bauten weitere Hallen und Gebäude an, die zu einem Teil wieder abgerissen wurden, bis auf die besonders historischen und denkmalgeschützten Anlagen. Dazu gehörte unter anderem das in den Jahren 1917 und 1918 gebaute Wasserwerk. Es versorgte damals über Brunnenanlagen und Pumpstationen das gesamte Stahlwerk.

Im Laufe der Jahre ist auf dem Stahlwerk-Gelände ein Gewerbepark entstanden, wurden bisher etwa 80 Prozent des gesamten Areals von rund 320.000 Quadratmetern vermarktet. Allein dort arbeiten derzeit etwa 1400 Männer und Frauen.

(wsc)
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