Stadt Willich Ein Guckloch mit zwei Welten

Stadt Willich · Drei Jahrgangsstufen der Robert-Schuman-Europaschule haben sich im Kunstunterricht mit der Flüchtlingsproblematik auseinandergesetzt. Entstanden ist eine Weltkarte mit Flüchtlingsbooten, Guckkästen und Eistüten.

"Wir müssten jetzt mit allen gemeinsam die Pappe umdrehen und sie unter das Riffelblech legen, das wir später benötigen, um die Eistüten daran aufzuhängen", gibt Ulrike Martens mit Blick auf die Decke und das dort hängende Blech vor. Die Moerser Grafikerin steht im Forum der Robert-Schuman-Europaschule neben der auf dem Boden liegenden, rund fünf Quadratmeter großen Pappfläche, die aus mehreren zusammengeklebten langen Streifen besteht. Mit einem Dutzend Zehntklässlern geht es an die Arbeit, dann liegt alles an Ort und Stelle. Kunstlehrerin Judith Behrens trägt indes einen ganzen Korb voller Farbtuben mit den unterschiedlichsten Blautönen heran. "Hier ist auch die Signalfarbe drin, mit der wir nachher die Landesgrenzen markieren", sagt Behrens. Aber bevor es so weit ist, geht es erst einmal ans Vorzeichnen. Europa und die angrenzenden Kontinente samt der entsprechenden Meere entstehen auf der Pappfläche, die der Ausstellungsort für die Arbeiten von drei Kunstkursen der Jahrgangsstufen acht, neun und zehn wird.

In den Kursen setzten sich die Jugendlichen nach den Sommerferien mit dem Thema Flüchtlingsproblematik auseinander. "Ich selbst war in den Ferien in England. Ich stand im sogenannten 18-Meilen-Stau und war schockiert über das Bild, das sich mir bot. Ich dachte mir, ein solches Erlebnis hatten sicherlich auch einige meiner Schüler während der Ferien, und es entstand die Idee, es in den Kunstunterricht einzubringen", berichtet Behrens von der Entstehungsgeschichte des Projektes. Eine künstlerische Arbeit, die auf der einen Seite die Tourismuswelle und auf der anderen die Flüchtlingswelle zeigt. Eine Diskrepanz, die von den Schülern in Form des Kunstprojektes aufgearbeitet wurde. Die Achtklässler stellten so aus Pappe überdimensionale Eistüten her. Die aus Sechsecken bestehenden Eiskugel kommen dabei teils in weichen Farbtönen daher und zeigen teils auf Fotos Flüchtlingssituationen.

"Es war nicht einfach zu entscheiden, welche Flüchtlingsbilder man nehmen sollte, damit der Unterschied süßes, leckeres Eis und harte Realität wirklich herüberkommt", bemerkt Celine, die mit Nayah eine Eistüte gestaltet hat. Die Neuntklässler beschäftigten sich mit der Herstellung von plastisch wirkenden Flüchtlingsbooten aus Papier. Entstanden sind vom Verfall geprägte Boote mit dicht an dicht stehenden Menschengruppen, über denen Stichworte wie "Frieden" und "Zukunft" zu lesen sind.

Beeindruckend auch die Arbeiten der Zehntklässler. Sie bauten aus Schuhkartons Guckkästen. Wer durch die kleinen runden Löcher hineinschaut, blickt auf zwei Welten. Die Schüler gestalteten mit den unterschiedlichsten Materialien attraktive Urlaubswelten am Mittelmeer, gekoppelt mit der Flüchtlingssituation. Menschen, die an genau diesen Orten ankommen und Hilfe suchen, wo andere Urlaub machen. "Wir haben eine Insel im Mittelmeer mit tollem Strand und schicken Hotels kreiert. Auf diese Insel steuert ein überfülltes Flüchtlingsboot zu, das gerade dabei ist zu kentern", beschreibt Anna den Guckkasten, den sie mit Jana entwickelt hat. In den einstigen Schuhkartons sind Welten entstanden, die zum Nachdenken anregen. In der Aula ist die Weltkarte inzwischen fertig. Die Flüchtlingsboote sind auf den Meeren anzutreffen, und Schüler sind damit beschäftigt, die Eistüten am Riffelblech zu befestigten, sodass sie über der Karte hängen. "Die Guckkästen werden wir um die Karte herum aufstellen, damit die Besucher die Gelegenheit haben, hineinzu-schauen", sagte Behrens. Damit ist ein globales Projekt entstanden, bei dem jeder ins Überlegen kommt und seine eigene Willkommenskultur reflektieren kann.

(RP)
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