Serie Zu Gast . . . Beim Aqua-Biking Ein Radrennen unter Wasser

Kempen · Die Serie entführt an ungewöhnliche Orte und stellt Themen und Menschen in den Mittelpunkt, die sonst weniger Beachtung finden. Heute geht es um eine Sportart, die wesentlich effektiver ist, als sie aussieht.

 RP-Mitarbeiterin Stephanie Wickerath versuchte sich im Aqua-Jogging und berichtet über ihre Erfahrungen.

RP-Mitarbeiterin Stephanie Wickerath versuchte sich im Aqua-Jogging und berichtet über ihre Erfahrungen.

Foto: wolfgang kaiser

KEMPEN Schon auf der Rückfahrt im Auto merke ich es. Die Muskeln in meinen Oberarmen zittern. Am nächsten Tag sind auch die Oberschenkel wacklig und die Waden schmerzen. Treppensteigen ist heute wohl keine gute Idee. Erstaunlich, denn ich habe gestern Abend nur eine halbe Stunde Sport getrieben. Aqua-Biking um genau zu sein. "Das ist doch kein richtiger Sport", könnte man meinen. Ja, das habe ich auch gedacht und dann hat Wolfgang Werthschulte, Badbetriebsleiter des Aqua Sol Kempen, mich zu einem Probetraining eingeladen.

Ich gebe zu, ich hatte Vorurteile. Immer, wenn ich in einem Schwimmbad diese Leute auf den Edelstahlrädern im Wasser gesehen habe, die zu flotter Musik strampeln und komische Bewegungen mit den Armen machen, fand ich, dass das ulkig aussah und zweifelte ob der körperlichen Anstrengung. Auch als Sarah Giskes, die Trainerin an diesem Abend im Aqua Sol, mich zu meiner Schnuppereinheit begrüßt und mich fragt, ob ich fit bin, denke ich noch: "Also, eine halbe Stunde Radfahren unter Wasser ist jetzt nicht so die große Herausforderung für mich." Und jetzt das: Muskelkater! Unglaublich.

Schon während des Trainings frage ich mich ernsthaft, ob in Kempen die Uhren vielleicht anders ticken. Irgendwie langsamer. Ich merke nämlich schon nach 20 Minuten, dass ich richtig schwitze - Ja, auch im Wasser kann man schwitzen - und, dass meine Kraftreserven deutlich nachlassen. Als Sarah Giskes uns dann auffordert, zunächst in der Hocke und dann im Stehen so schnell wie möglich die Unterwasserpedale zu treten, werde ich das Gefühl nicht los, einen ziemlich steilen Berg raufzufahren. Ich bin fast versucht nachzuschauen, ob mein Wasserfahrrad vielleicht auf einem Hügel steht. Das ist natürlich albern, aber mir kommt es so vor, als werde das Treten immer schwerer und meine Beine immer lahmer. Die Tour de France ist ein Witz gegen die Kempener Unterwasserrennstrecke.

Wer hin und wieder Radrennen anschaut, hat sicher schon bemerkt, dass die Fahrer nicht nur viel Kraft in den Beinen haben, auch die Arme sind erstaunlich muskulös. Da will Sarah Giskes mit uns auch hin. Also nehmen wir die Betomics in die Hände. Das sind offene Schaumstoffbälle, die wir in kreisförmigen Bewegungen durchs Wasser ziehen. Der Wasserwiderstand sorgt dafür, dass Kraft gebraucht wird, um zuerst große, dann immer kleiner Kreise in einem Affenzahn zu ziehen. Mit der Energie, die wir hier verpulvern, könnte man glatt ein Wasserkraftwerk betreiben.

Aber es bringt was. Schon während der Übung merke ich, wo genau mir gerade Muskeln wachsen. Gut fühlt sich das an. Noch ein paar Übungen dieser Art und ich werde den restlichen Sommer über nur noch im ärmellosen Top herumlaufen. Überhaupt habe ich das Gefühl, dass ich in dieser halben Stunde Aqua-Biking mehr Muskeln aufbaue und mehr Fett verbrenne, als beim Zehn-Kilometer-Lauf im Wald. Wolfgang Werthschulte bestätigt diesen Eindruck: "Das Strampeln im Wasser kurbelt den Stoffwechsel doppelt so stark an, wie ein vergleichbares Training im Trockenen."

Es könnte also eventuell doch noch etwas werden mit der Bikini-Figur, wenn nur dieser gemeine Hunger nicht wäre. Schon der Pommes-Duft aus der Snackbar im Schwimmbad lässt mich nach dem Probetraining fast schwach werden, doch ich bleibe standhaft. Auf der Rückfahrt aber beschäftigen mich abwechselnd die zittrigen Oberarme und meine kulinarischen Gelüste. Und dann komme ich nach Hause und da steht tatsächlich noch ein großes Reststück Pizza vom Familienabendessen und ich finde, das habe ich mir jetzt aber auch wirklich verdient.

(RP)
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