Stadt Willich Ein wehmütiger Kehraus im Kaisersaal

Stadt Willich · Der Kaisersaal verschwindet als Veranstaltungsbühne. Dort sollen Eigentumswohnungen entstehen. Beim Abschied kam viel Trauer auf. Viele Vereine suchen immer noch nach Alternativen und kritisieren mangelnde Unterstützung.

 Wirt Heinz Schiffer hatte am Samstag noch einmal zum Abschied in den Kaisersaal geladen. Der Traditionsort für Veranstaltungen jede Art gehört jetzt der Vergangenheit an.

Wirt Heinz Schiffer hatte am Samstag noch einmal zum Abschied in den Kaisersaal geladen. Der Traditionsort für Veranstaltungen jede Art gehört jetzt der Vergangenheit an.

Foto: WOLFGANG KAISER

Gestern, am Sonntagmorgen, etwa zweieinhalb Stunden nach Mitternacht, schloss Heinz Schiffer den Kaisersaal ab. Es war ein denkwürdiger Moment. Ab sofort wird es nämlich den 1897 erbauten Kaisersaal, in dem diskutiert, gesungen, getanzt oder geschauspielert wurde, für diese Zwecke nicht mehr geben. Ab 1. April wechselt offiziell das Eigentum in andere Hände. Der 57-jährige Gastronom hatte am Samstag seine vielen Stammgäste und Vereine, die sich dort über Jahrzehnte hinweg so richtig wohlgefühlt hatten, zum "Kehraus" eingeladen.

Über 600 Menschen kamen noch einmal in den Kaisersaal, darunter Sänger, Feuerwehrleute, Schützen oder frühere Kolping-Akteure. An einem Tisch saß die Senior-Chefin, Toni Schiffer. Die 87-Jährige hatte den Familienbetrieb 1954 gemeinsam mit Heinrich Schiffer übernommen und bis zuletzt hier und da mitgeholfen; sie sagte rückblickend: "Es war eine harte aber sehr schöne Zeit." Neben ihr saß ein weiteres Willicher "Urgestein": Heinrich Hötz (84), der unter anderem noch zu den Stammgästen gehörte wie der 86-jährige Josef Teichert. "Ich bin sehr traurig", sagte der frühere Mitarbeiter der Krefelder Edelstahlwerke. Teichert hatte sich dort in der Gaststätte bis zuletzt jeden Sonntag mit seinen Stammtischfreunden getroffen. Auch das ist jetzt vorbei.

Heinz Schiffer hatte zu den Restbeständen etwa zehn Hektoliter geordert, um das Ende zu begießen. Sein Stamm-Personal war wieder im Einsatz. Darunter auch sein 16-jähriger Sohn Michael, der langjährige Zappes Gerd Treder, viele Wegbegleiter der Zabel-Familie. Seine treueste Mitarbeiterin, Brigitte Zabel, die dort über fünf Jahrzehnte bediente, musste leider wegen einer Grippe absagen. "Good bye, my old body", sagte Bernhard Hahlen. Er ist einer der "Blues Brother", die dort etwa 30 Jahre lang unvergessliche Konzerte gefeiert hatten. Neben ihm saß sein großer "Bruder" Jake, alias Jochen Contzen. Er konnte das Aus des Konzertsaales immer noch nicht so richtig begreifen und meinte: "Das ist so, als sei ein wichtiger Teil meines Lebens zu Ende gegangen." Auch Ex-Prinzessin Andrea Hasenbeck war mit weiteren Akteuren der Prinzengarde gekommen. Der Vorsitzende der Gardisten, Frank Schreiber, sprach von einem Niedergang des kulturellen Lebens im Alt-Willicher Zentrum.

Er hätte sich im Interesse der Vereine und Gemeinschaften eine bessere Unterstützung durch die Stadt gewünscht: "Viele Vereine stehen auf der Straße, es gibt für sie bis zur neuen Halle überhaupt keine Alternativen." "Das waren noch Zeiten", erinnerten sich Jürgen und Kerstin Kothen sowie Johannes und Jutta Zensen daran, dass sie im Kaisersaal in den 1990er-Jahren ihre Hochzeit gefeiert hatten. Der Schwiegervater von Jürgen Kothen (48) ist Paul Susen (78), der über Jahrzehnte vor allem bei den Kolping-Karnevalssitzungen für die Requisiten verantwortlich war. Kothen dazu: "Wenn wir alle Nägel und Schrauben, die mein Schwiegervater hier geschlagen und gedreht hat, wieder rausziehen, würde die Bühne zusammenfallen." Heinz Schiffer macht jetzt erst einmal Pause. Seine nach wie vor ernste Überlegung ist, etwa ab September nach einer Instandsetzung die vordere Gaststätte zu behalten und daraus nur zu besonderen Anlässen und Feiern ein Event-Lokal zu machen.

(wsc)
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