Serie Geschichten Aus Der Niersgemeinde "Eine Heilschule für die Jugend"

Willich · Vor 130 Jahren wurden Kloster und Schule der Genossenschaft der Schwestern "Unserer Lieben Frau" in Mülhausen gegründet. Zu Ostern 1888 begann der Unterricht mit zwölf Pensionatsschülerinnen.

 Die Villa Bongartz ist die Keimzelle der Liebfrauenschule Mülhausen.

Die Villa Bongartz ist die Keimzelle der Liebfrauenschule Mülhausen.

Foto: Archiv Kloster Mülhausen

Mülhausen Der preußische Kulturkampf ging nach sechs schwierigen Jahren für die katholische Kirche 1878 zu Ende, der es den Priestern und Ordensleuten verboten hatte, an Schulen zu unterrichten. Die Schwestern der Genossenschaft "Unserer Lieben Frau" hatten vorübergehend in den Niederlanden sowie in den USA ein neues Betätigungsfeld für die Erziehung der weiblichen Jugend gefunden. Nun aber konnten sie nach Deutschland zurückkehren. Das Gebäude des Mutterhauses in Oldenburg war inzwischen verkauft worden und das in Coesfeld konnte nicht alle Lehrschwestern aufnehmen. So suchte die Generaloberin, Mutter Maria Chrysostoma am Niederrhein einen neuen Standort für ein Mutterhaus in Deutschland. Im Rheinland gab es zuvor schon eine ganze Reihe Kommunitäten des Ordens, insgesamt in 26 Orten des Niederrheins, und das Ruhrgebiet mit seinen Ballungsräumen der Kohle- und Stahlindustrie mit seiner armen Bevölkerung war nicht weit.

Da las Mutter M. Chrysostoma im Herbst 1887 in einer Annonce, das in dem kleinen Dorf Mülhausen bei Kempen die Villa des Herrn Bongartz zum Verkauf steht. So machte sich die Generaloberin mit einer Mitschwester auf, um die Villa und das umliegende Gelände in Augenschein zu nehmen. Der Hausherr empfing sie persönlich und überreichte ihnen Weintrauben aus seinem Garten. Die Nacht verbrachten die Schwestern in Kempen, da es in Mülhausen keine Bleibe für sie gab. Am nächsten Morgen brachte ein Wagen sie zur Villa zurück. Mutter M. Chrysostoma fand das Besitztum geeignet und preiswert. Sie nahm das Angebot an, jedoch unter der Bedingung, dass das Ministerium in Berlin für eine Niederlassung die Genehmigung erteilen würde.

Die Genehmigung des preußischen "Ministers des Inneren" sowie des "Ministers der geistlichen, Unterrichts- und Medicinal-Angelegenheiten" wurde schon drei Wochen nach der Antragstellung durch die Generaloberin am 21. Dezember 1887 erteilt. Genehmigt wurde, dass "eine Niederlassung der Genossenschaft der Schwestern Unserer lieben Frau (von Coesfeld) neu errichtet wird, und zwar zum Zwecke der Erziehung der weiblichen Jugend in einem Pensionat bezw. der Uebernahme der Pflege und Unterweisung von Kindern, welche sich noch nicht im schulpflichtigen Alter befinden, in der daselbst neu zu errichtenden Kleinkinder-Bewahranstalt." Die Minister wiesen noch darauf hin, dass eine andere Tätigkeit als diese durch die Schwestern nicht übernommen werden dürfe und dass nur Ordensangehörige mit deutschem "Indigenat" (Staatsangehörigkeit) aufgenommen werden dürfen.

Am 17. Januar 1888 brach Mutter M. Chrysostoma von Vechta aus, wo die Schwestern auch eine Niederlassung hatten, mit drei Schwestern und einer Novizin nach Mülhausen auf. Mit der Bahn erreichten sie Grefrath und zogen dann durch tiefen Schnee in der einbrechenden Dunkelheit zu Fuß nach Mülhausen. In der Villa Bongartz wohnte noch der Gärtner mit seiner Familie. Als er endlich die Glocke hörte erging durch eine Seitenpforte die Frage: "Wer ist davor?" Antwort: "Die Schwestern." Die ersten Schwestern waren also angekommen, um in Mülhausen die neue Niederlassung um die Villa Bongartz herum aufzubauen.

Ein Karren wurde nach Grefrath geschickt, um die Betten und das Gepäck zu holen. Doch dieses reichte nicht, denn für zwei Schwestern musste der Fußboden als Ruhestätte dienen. Am nächsten Morgen führte der Weg die Schwestern zuerst zum Pfarrer von Oedt, Heinrich Billen. Den baten sie, die Villa möglichst bald einzusegnen. Die Schwestern hatten nämlich gehört, dass das Haus von einem Heiden erbaut und zu einem Restaurant eingerichtet worden sei, das abscheulichen Zechgelagen diente. Pastor Billen segnete noch am selben Tag das Haus ein und drückte der ehrwürdigen Mutter seine große Freude darüber aus, dass die Villa, die so viele Jahre ein Ort der Sünde und des Frevels war, ein Gotteshaus werde. Mutter Chrysostoma erklärte nach der Einsegnung; "Möge das Haus stets eine Stätte der Heiligkeit, der Liebe und des Gebetes sein und eine Heilschule für die Jugend!" So war das Mutterhaus eröffnet.

Am 8. April 1888 wurde im Bischofszimmer der Villa, der ersten Kapelle des neuen Mutterhauses, die erste heilige Messe gefeiert. Noch im selben Monat kamen die ersten acht Pensionärinnen, also die Internatsschülerinnen, von der Niederlassung Vechta nach Mülhausen. Vier waren schon in Mülhausen aufgenommen worden, so dass die Schule mit zwölf Schülerinnen beginnen konnte. Am Ende des Sommers hatte sich die Zahl auf 18 Schülerinnen erhöht. Im Laufe des Winters kamen noch 16 weitere hinzu.

Die erste Schulleiterin war Schwester Maria Damiana Brüning, die am 4. Mai 1888 die Konzession zur Errichtung und Leitung des Mädchen-Pensionates durch den Kreisschulinspektor erhielt. In dieser Genehmigung wies die Königliche Regierung zu Düsseldorf ausdrücklich darauf hin, dass "diese Brüning hinsichtlich der Verwendung von Hülfslehrerinnen bezw. Hülfslehrer [...] nur solche Personen zum Unterricht zuzulassen sind, welche im Besitz der Staatsangehörigkeit und der erforderlichen Befähigung sind." Es durften nur solche Schülerinnen am Unterricht teilnehmen, die Zöglinge des Pensionates waren, also dort im Internat wohnten.

Schnell wuchs die Zahl der Schülerinnen und damit die Anzahl der Gebäude rund um die Keimzelle von Kloster und Schule, der Villa Bongartz bei der Kurfürstlichen Mühle an der Niers.

(RP)
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