Stadt Willich Engel der Kulturen erreicht viele Herzen

Stadt Willich · An der Aktion, die für mehr Menschlichkeit und Toleranz aufruft, nahmen gestern rund 300 Menschen teil. Sie rollten eine Skulptur durch Alt-Willich und verlegten auf dem Kaiserplatz eine bleibende Intarsie.

 Mit der Resonanz der Aktion "Engel der Kulturen", die auf dem Kaiserplatz endete, waren die Veranstalter überaus zufrieden. Viele Menschen beteiligten sich.

Mit der Resonanz der Aktion "Engel der Kulturen", die auf dem Kaiserplatz endete, waren die Veranstalter überaus zufrieden. Viele Menschen beteiligten sich.

Foto: Wolfgang Kaiser

Nicht nur das Kreuz als Symbol für das Christentum, sondern auch der Davidstern der Juden und - als Symbol für den Islam - der Halbmond spielten eine Rolle. Und die "Rolle" war ein stählernes Rad mit einem Durchmesser von 1,5 Metern, das gestern durch Alt-Willich zum Kaiserplatz gebracht wurde. Bei der Aktion "Engel der Kulturen" machten sich etwa 300 Menschen auf den Weg, hinterließen ihre Spuren und ihre Zeichen gegen Fremdenfeindlichkeit, für mehr Menschlichkeit und Toleranz.

Start war an der Robert-Schuman-Gesamtschule. "Zunächst konnte ich mit dem Event nicht viel anfangen, aber schnell war ich davon völlig begeistert", sagte Gesamtschul-Leiterin Ute Will-Nieding. Sie stand auf dem Schulhof, sah sich mit Bürgermeister Josef Heyes die vielen Arbeiten an, die größtenteils die Schüler der sechsten Klassen im Religions- oder Kunstunterricht geschaffen hatten. Dabei gab es auf den vielen bunten Bildern, Collagen oder Skulpturen nicht nur fröhliche Engelsgesichter. Die zwölfjährige Lysaan hatte unter anderem ein Bild mit einem weinenden Engel gemalt. Boote sind darauf zu sehen, Stacheldraht und eingesperrte Flüchtlinge. Fast daneben hatte eine andere Schülerin ein kleines Flüchtlingsdorf skizziert - mit einem Engel in der Mitte, auf dessen Gewand "Wir helfen Euch" stand.

Applaus gab es aber nicht nur für die kreativen Schüler, sondern auch für die beiden Initiatoren, Anna Rieve und Kirsten Schwikhard von der kirchlichen Flüchtlingshilfe "LOT". Sie hatten das Event in nahezu einjähriger Arbeit vorbereitet, dabei jede Menge Unterstützer gefunden, so die Seelsorger der katholischen und der evangelischen Kirche (Jürgen Lenzen, Markus Poltermann und Rolf Klein), Vertreter der jüdischen und der muslimischen Gemeinde und - von der Stadt Willich - Bernd Hitschler. Nicht zu vergessen: die Religions- und Kunstlehrer. Nicht dabei sein konnte gestern Rabbi Wagner von der jüdischen Gemeinde Krefeld. Einige Messdiener von St. Katharina hatten dazu ein Bettlaken bemalt, mit folgender Inschrift, die das Fehlen erklärte: "Wir wünschen allen Juden ein koscheres Pessachfest." Lieder des Friedens sangen zu Beginn der Kundgebung Johanna, Sina und Alia.

Im Jahr 2008 starteten Carmen Dietrich und Gregor Merten mit diesem völkerverbindenden Kultur-Event. Mittlerweile haben sie 89 solcher Kunstobjekte angefertigt, die nun von Istanbul bis Hamburg, von Brüssel bis Sarajewo zu finden sind. "Im nächsten Jahr gehen wir mit der rollenden Skulptur auch durch das belgische Molenbeek", sagte gestern Gregor Merten.

An der Aktion hatten sich auch viele Messdiener und St.-Georgs-Pfadfinder beteiligt. Pfadfinder, so aus den Gruppen und Sippen "Shirkan", "King Louie" oder der "Panther" gingen vornweg, hatten Zweige in den Händen, die sie zu Kreuzen, Halbmonden und Davidsternen gebunden hatten. "Es ist unfassbar toll, was aus unserer Idee entstanden ist", sagte Kirsten Schwikhard sichtlich bewegt und ergänzte: "Wir möchten damit ein Zeichen setzen, damit wir alle weiterhin friedlich mit den Menschen aus den verschiedensten Kulturkreisen zusammenleben."

Engel heißt "Bote" oder "Abgesandter" - und die jungen und älteren Menschen, die gestern in der vielköpfigen Karawane waren, durften sich in der Tat selbst als Gesandter ihrer friedlichen Botschaft verstehen. Insgesamt ging der Tross fünf Stationen ab, von der Gesamtschule zur muslimischen Gemeinde an der Bahnstraße, zur evangelischen Kirche, zur Flüchtlingsunterkunft an der Bahnstraße, zur katholischen Kirche bis zum Kaiserplatz. An den Haltepunkten wurden Spuren hinterlassen: Die rollende Skulptur wurde auf den Boden gelegt und mit Sand gefüllt. Danach wurde das stählerne Rad mit Magneten hochgezogen. Zurück blieb auf dem Boden ein sandiger "Engel der Kulturen", wenn auch nur für kurze Zeit.

Zwischendurch stiegen Hunderte Luftballons mit friedlichen Botschaften in die Lüfte, wurden auf Plakaten Fingerabdrücke der Mitmachenden hinterlassen oder teilte man sich leckere und große "Weck-Engel" aus Teig. Auf dem Kaiserplatz gaben muslimische Frauen, so Serpil Bilgin und Hülya Akarca, Rosen, Gebäck und türkischen Honig aus. Und anstelle des großen Rades wurde eine schwere Stahlplatte mit den drei Symbolen des Glaubens als Bodenintarsie auf dem Kaiserplatz verlegt. Anna Rieve fasste die große Resonanz zusammen: "Ich bin mega stolz auf diese Stadt."

(wsc)
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