Stadt Willich Fließgewässer: Verband erklärt Hintergrund

Stadt Willich · Anwohner des Grünen Wegs in Anrath wehren sich gegen eine Zulage, die sie für einen Graben zahlen sollen, der kein Wasser führt.

 Peter Joppen, Vorstandsvorsitzender des Wasser- und Bodenverbandes der Mittleren Niers, zeigt, warum die Uferböschungen nicht für die günstigere Instandhaltung per Maschine ausreichen.

Peter Joppen, Vorstandsvorsitzender des Wasser- und Bodenverbandes der Mittleren Niers, zeigt, warum die Uferböschungen nicht für die günstigere Instandhaltung per Maschine ausreichen.

Foto: Wasser- und Bodenverband der Mittleren Niers

Mancher Anwohner des Grünen Wegs in Anrath fühlt sich inzwischen fast, als wäre er in Hollywood. Mehrfach besuchten Kamerateams die beschauliche Straße, die seit einigen Wochen in der Öffentlichkeit steht. Der Grund hierfür: Die Anwohner hatten sich an die Medien gewandt, weil sie es nicht einsehen, eine Erschwerniszulage für ein Fließgewässer zu zahlen, das aber seit Jahrzehnten gar kein Wasser führt. Die Zulage fordert neuerdings der Wasser- und Bodenverband der Mittleren Niers.

Der Verband steht jetzt ein bisschen wie ein "Depp" da, denn auch die Satire-Sendung "Extra3" hat das Thema aufgegriffen und den Verband durch den Kakao gezogen. Der möchte das natürlich nicht auf sich sitzen lassen und erklärt nun in einer ausführlichen Pressemitteilung seine Sicht der Dinge: "Die Gräben sind Teil des Gesamt-Konzeptes zur ordnungsgemäßen Entwässerung in unserem Arbeitsgebiet. In vielen Bereichen führen diese Gräben in der Regel kein Wasser, müssen aber zum Beispiel im Falle eines Starkregen-Ereignisses dazu fähig sein, das Wasser schnell abfließen zu lassen. So sollen Überschwemmungen und Schäden auf Grundstücken und in Häusern vermieden werden", erklärt Peter Joppen, Vorstandsvorsitzender des Wasser- und Bodenverbandes der Mittleren Niers (WBVMN), die Funktion zweier Gräben am Grünen Weg in Anrath und an der Niersplank in Neersen. Aus dieser Situation leite sich auch die Bezeichnung der Gräben als "Fließgewässer" ab.

In diesem Grabenetz ist der Verband für die Instandhaltungsarbeiten zuständig. Diese kann an den meisten Stellen auch mit großen technischen Geräten und mit wenigen Mitarbeitern geleistet werden. Dazu brauche es allerdings auf beiden Seiten der Gräben einen 1,5 Meter breiten Streifen ohne Bäume, Bauwerke, Zäune oder Sträucher. Die Anlieger seien eigentlich verpflichtet, für die Instandhaltungsarbeiten einen fünf oder mit Sondergenehmigung drei Meter breiten Streifen vorzuhalten.

Im Fall der zwei Gräben in Anrath und Neersen sei die Situation jedoch anders, so Joppen: Dort gibt es diese Streifen nicht. Die Anlieger haben ihre Zäune oder andere Bauwerke in geringer Entfernung vom Grabenrand gesetzt. "Als Konsequenz müssen wir diese Strecken von Hand, mit mehr Personal, Zeitaufwand und mit höheren Kosten instand halten - das wird rechtlich als Erschwernis bezeichnet", erklärt Joppen. Nur diesen höheren Kostenanteil stelle der Verband dem jeweiligen Eigentümer als "Erschwernis-Verursacher" in Rechnung. Streng genommen könne er sogar verlangen, dass die Anwohner ihre Bauten oder Zäune am Grabenrand abbauen, so Peter Joppen. Der Verband gehe nicht von bösem Willen aus, sondern von Unkenntnis der Sachlage bei den Grundstückseigentümern vor Jahren.

Für nicht nachvollziehbar hält der Verband die Argumentation der Anlieger, die Gräben hätten nie Wasser geführt: "Wir haben eine Beschwerde von Anwohnern am Grünen Weg aus dem Jahr 2008 über Überschwemmungen in unseren Akten dokumentiert. Damals haben wir allen Anwohnern schriftlich die Wiederherstellung der Gräben angekündigt - in der Adressliste in unseren Unterlagen findet sich auch die von Markus Gather", so Joppen. Gather wohnt auch am Grünen Weg und wurde von seinen Nachbarn gebeten, sie in der Öffentlichkeit zu vertreten - schließlich war er bis vor Kurzem Stellvertretender Bürgermeister der Stadt Willich.

Markus Gather amüsieren die Erklärungsversuche des Verbandes. Denn er und die anderen Anwohner hätten in einem Brief damals schon deutlich gemacht, dass in diesem Graben nichts fließt und daher alle eine Gebühr zur Erneuerung des "Gewässers ohne Wasser" ablehnen und nicht bezahlen werden. "Dass Herr Joppen auf eine Ankündigung von vor zehn Jahren, den Graben zu erneuern, hinweist und dies nicht als peinlich, sondern als damaligen Hinweis auf das heutige Handeln darstellt, zeigt das Gegenteil von durchgeplantem und zielgerichteten Handeln." Denn seit zehn Jahren habe sich die Situation nicht verändert. "Wenn der Graben wirklich helfen würde, Wasser abzuführen, wären wir ja happy und würden gern zahlen", so Gather im Gespräch mit unserer Redaktion. "Es geht ja nicht um die Höhe der Beträge, sondern darum, dass, wenn wir diese sinnlose Gebühr akzeptieren, wir ab diesem Zeitpunkt das Anrecht zur Erhebung einer solchen Gebühr akzeptieren, die dann vom Verband immer wieder erhöht werden könnte," so Anlieger Markus Gather.

Gesetzlich unmöglich ist laut Verband übrigens die Umsetzung der Forderung einer Anwohnerin an der Niersplank in Neersen: Sie wollte die Gräben zuschütten lassen. "Laut Wasserrahmenrichtlinie dürfen wir kein Gewässer verschlechtern", verweist Peter Joppen wiederum auf höheres Recht.

(RP)
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