Stadt Willich Gedenkprozession nach 70 Jahren

Stadt Willich · In der Nacht des Passionssamstags 1947 richteten 800 Männer an der Ritterstraße in Alt-Willich ein Holzkreuz mit der Aufschrift "Männer beten um den Frieden" auf. 70 Jahre danach soll jetzt ihre Prozession wiederholt werden.

 Am Karsamstag 2015 wurde das restaurierte Kreuz von einem Kranwagen des Willicher Löschzugs wieder an seinen alten Platz gestellt. In einer Ansprache erinnerte Bürgermeister Josef Heyes an die Bedeutung des Mahnmals.

Am Karsamstag 2015 wurde das restaurierte Kreuz von einem Kranwagen des Willicher Löschzugs wieder an seinen alten Platz gestellt. In einer Ansprache erinnerte Bürgermeister Josef Heyes an die Bedeutung des Mahnmals.

Foto: Philip Müller

Frühjahr 1947 - in diesem Monat vor 70 Jahren. In Willich bereiten die Menschen sich auf das Osterfest vor. Nach dem Ende des Dritten Reiches hat überall im Rheinland eine Rückbesinnung auf religiöse Werte eingesetzt. So haben im Juli 1945 zurückgekehrte Kriegsgefangene in Krefeld eine Glaubensbewegung speziell für Männer gegründet: das Katholische Männerwerk. Ihnen geht es um eine Neugestaltung des Lebens nach christlichen Grundsätzen.

Auch in Willich hat sich eine Männerwerk-Gruppe gebildet. Die Bewegung wird vom Aachener Bischof Johannes Joseph van der Velden nach Kräften gefördert. Van der Veldens Wahlspruch lautet: "Im Kreuz ist Heil!" In diesem Sinne ruft das Katholische Männerwerk im ganzen Bistum für das Osterfest 1947 zu einer Kreuz-Wallfahrt auf. Von Krefeld aus sollen heimgekehrte Soldaten am Karfreitag ein großes Holzkreuz durch alle Dekanate des Bistums Aachen tragen. Die Resonanz ist gewaltig: 200.000 katholische Männer ziehen in den folgenden Monaten durch 120 Pfarreien des Bistums. Natürlich nicht alle auf einmal, sondern in kleinen Gruppen, die sich von Gemeinde zu Gemeinde abwechseln und das Kreuz an die nächsten weitergeben. Am 28. September 1947 findet die Schlussfeier der Kreuzfahrt auf dem Aachener Markt vor rund 30.000 Männern statt.

 Am Karfreitag 1947 begann im kriegszerstörten Krefeld die Wallfahrt des "Friedenskreuzes" durch das Bistum Aachen. Um ihre Verbundenheit mit dieser Prozession zu zeigen, die ihren Ort nicht berührte, stellten die Willicher ein eigenes Friedenskreuz auf.

Am Karfreitag 1947 begann im kriegszerstörten Krefeld die Wallfahrt des "Friedenskreuzes" durch das Bistum Aachen. Um ihre Verbundenheit mit dieser Prozession zu zeigen, die ihren Ort nicht berührte, stellten die Willicher ein eigenes Friedenskreuz auf.

Foto: August Brecher, Im Kreuz ist Heil

Aber die Aktion soll flächendeckend sein. Deshalb appelliert das Männerwerk: Auch die Gemeinden, durch die die große Prozession nicht kommt, sollen teilhaben an der Demonstration für Frieden und Nächstenliebe. In der Nacht des Passionssamstags sollen sie eigene Friedenskreuze errichten. In Willich, meldet damals die Rheinische Post, findet der Aufruf "stärksten Widerhall". Am Ortsrand an der Ritterstraße, wo sich die Schmiede und das Wohnhaus von Peter Willms und seiner Frau Bernhardine befinden, soll ein Friedenskreuz aufgestellt werden.

Voller Eifer machen sich die Einwohner an die Herstellung des Mahnmals. Der Landwirt Hans Binger vom Nauenhof spendet das Eichenholz. Daraus fertigt der Stellmachermeister Peter Dohmganz das Kreuz. In den fertig gestellten Querbalken schneidet der Holzschnitzer Stefan Baer einen kurzen Text: "Männer beten um den Frieden" und die Jahreszahl 1947. Das Trägerfundament schließlich fertigt der Huf- und Wagenschmiedemeister Jakob Blassen. Alle arbeiten "für Gotteslohn", wie sie es nennen.

 Er weihte das Friedenskreuz: der Willicher Dechant Josef Schuwerack, im Amt von 1940 bis 1952.

Er weihte das Friedenskreuz: der Willicher Dechant Josef Schuwerack, im Amt von 1940 bis 1952.

Foto: Pfarrarchiv Willich

In der Nacht des Passionssamstags, 22. März 1947, haben sich vor der Pfarrkirche St. Katharina mehr als 800 Männer versammelt. Viele von ihnen sind kriegsversehrt. Dem einen hängt ein leerer Ärmel von der Schulter, andere humpeln an Krücken. Um 23 Uhr formieren sie sich zu einem langen Prozessionszug. An seiner Spitze tragen vier von ihnen an Handgriffen das fünf Meter hohe Kreuz, dahinter halten zwei es mit Stützen aufrecht. Betend und singend zieht die Männerprozession unter Führung der Pfarrgeistlichkeit zur Ecke Ritterstraße/Neusser Straße. Hier wird das sieben Zentner schwere Mahnmal unter andächtigen Gebeten in den Boden gesenkt. Wilhelm Brandenburg, Kaplan in Willich von 1946 bis 1948, erläutert seine Aufschrift "Männer beten um den Frieden": In der von Hunger und Not geprägten Nachkriegszeit sei das Kreuz ein Symbol für die Sehnsucht der Menschen nach innerem und äußerem Frieden. Der Kirchenchor, damals noch MGV 1820 genannt, stimmt einen Choral an. Dann nimmt Dechant Joseph Schuwerack die Einweihung vor.

70 Jahre danach soll die Friedensprozession nun wiederholt werden. Eingeladen sind dazu alle, denen Frieden ein Anliegen ist, nicht nur Männer wie damals, sondern auch Frauen. Auch und gerade muslimische Immigranten, die sich zurzeit in Willich aufhalten. Eine Anmeldung zur Prozession ist nicht erforderlich. Am Samstag, 8. April, sollen die Teilnehmer sich um 20 Uhr auf dem Marktplatz vor der Pfarrkirche St. Katharina versammeln. Hier werden Diakon Friedhelm Messerschmidt und Pfarrer Rolf Klein zunächst an die historische Bedeutung des Kreuzes erinnern. Dann wird die Prozession wie vor 70 Jahren zum Aufstellungsort ziehen. Vor dem Kreuz werden Fürbitten gesprochen werden; unter anderem von Marita Blüm, geborene Binger, deren Vater damals das Eichenholz gestiftet hat. Mit ihrem Mann Norbert Blüm, Bundessozialminister von 1982 bis 1998, wird sie zur historischen Prozession nach Willich kommen. Fürbitten sprechen werden ferner der in Neersen wohnende CDU-MdB Uwe Schummer und Willichs SPD-Fraktionsvorsitzender Bernd-Dieter Röhrscheid. Mitziehen werden auch Bürgermeister Josef Heyes und andere bekannte Bürger. Last but not least: Der Männerseelsorger des Bistums Aachen, Mario Schleypen, möchte den Impuls, der vor 70 Jahren von Willich ausging und jetzt wieder ausgehen wird, in seine Arbeit aufnehmen.

(hk-)
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