Stadt Willich Glücksspiel boomt - Gemeinden profitieren

Stadt Willich · Immer mehr Geld wird an Automaten verzockt. Dabei sind viele der Spieler süchtig und gefährden ihre Existenz. Die Kommunen profitieren von der Spielsucht — durch die Vergnügungssteuer nehmen sie viel Geld ein.

Wer mit Spielsüchtigen spricht, hört oft dramatische Geschichten voller Scham, Verzweiflung, Lug und Betrug. An den blinkenden Automaten in dunklen Spielhöllen verspielen Menschen ihr ganzes Hab und Gut. Und mehr noch: Oft machen sie Schulden, gefährden ihre berufliche Existenz und belügen Familie und Freunde.

Solche Dramen sind im Kreis Viersen sehr viel wahrscheinlicher geworden. Nach den aktuellen Zahlen der Landeskoordinierungsstelle Glücksspielsucht NRW, die seit 1998 Daten zum Glücksspielmarkt sammelt, wird auch hier vor Ort immer mehr Geld verzockt. Der Arbeitskreis gegen Spielsucht in Unna hat im Auftrag die Zahl der Geldspielgeräte in den Kommunen ermittelt und den Kasseninhalt - das Geld, das am Ende des Tages im Automaten bleibt - mithilfe von Studien geschätzt.

Demnach sind 2015 in der Stadt Willich an 145 Automaten in Gaststätten und Spielhallen rund 3,4 Millionen Euro verzockt worden, in Tönisvorst an 124 Geräten etwa 3,3 Millionen Euro. In der Kreisstadt Viersen waren es an 394 Automaten sogar mehr als zehn Millionen Euro. Allerdings sind diese Zahlen grobe Schätzungen, zumal die Anzahl der Geräte stetigen Schwankungen unterliegt. Recherchen zeigen, dass die Größenordnung grundsätzlich stimmt. 145 Geräte bestätigt die Stadt Willich auf Nachfrage, 147 Glücksspielautomaten meldet die Stadt Tönisvorst.

Die Städte und Gemeinde erheben Vergnügungssteuer und erhalten so einen gewissen Prozentsatz des Einspielergebnisses je Gerät oder des Spieleinsatzes. Die Kommunen nehmen so immer mehr Geld ein. Willich kassierte 2011 rund 273.000 Euro Vergnügungssteuer aus Glücksspiel, 2013 waren es schon 450.000 Euro, nachdem der Steuersatz von 11,2 Prozent für Gaststätte und 14 Prozent des Einspielergebnisses für Spielhallen auf 15 beziehungsweise 17 Prozent gestiegen war. Gerade wurde der Steuersatz erneut erhöht: 18 Prozent für Gaststätten und 20 Prozent für Spielhallen. Daher rechnet die Stadt Willich laut Pressesprecher Michael Pluschke für 2017 mit Einnahmen von 530.000 Euro aus der Vergnügungssteuer auf das Glücksspiel.

Auch Tönisvorst nimmt durch die Vergnügungssteuer immer mehr Geld ein. Die von der Stadt mitgeteilten Zahlen beinhalten allerdings im Gegensatz zu den Willicher Angaben auch Steuern auf sexuelles Vergnügen und Tanz. Waren es 2011 noch etwa 361.000 Euro, waren es 2013 schon rund 556.000 Euro und 2015 gut 674.000 Euro. Allerdings wird die Steuer auf Glücksspiel hier seit 2016 nicht mehr anhand des Einspielergebnisses, sondern anhand des Spieleinsatzes erhoben: 4 Prozent des Einsatzes in Gaststätten, 4,5 Prozent in Spielhallen. Viersen kassierte 2011 knapp 1,1 Millionen Euro, 2015 schon über 1,7 Millionen.

Brüggens Kämmerer Oliver Mankowski und sein Grefrather Kollege Wolfgang Rive sehen in der Erhöhung des Steuersatzes auch ein ordnungspolitisches Instrument: "Wir wollen die Spielsucht eindämmen", sagt Mankowski. Ob dieses Mittel Erfolg hat, wird sich zeigen. Sicher ist, dass die Kommunen erheblich von dem Glücksspiel profitieren. Dabei stamme das Geld, das in den Automaten landet, häufig von Menschen, die spielsüchtig sind, erklärt Ilona Füchtenschnieder, Leiterin der der Landeskoordinierungsstelle. "Glücksspielsucht ist eine anerkannte Krankheit, bei der das Verlangen zu spielen nicht kontrolliert werden kann. Dabei bestimmt sie den Alltag der Süchtigen, die Familie, Berufsleben und soziale Kontakt vernachlässigen", sagt Füchtenschnieder.

Jeder Zehnte im Kreis Viersen spielt regelmäßig um Geld - die Tendenz steigt, weiß Dietmar Lufen vom Fachbereich Prävention bei der Suchtberatung Kontakt-Rat-Hilfe. "Ich kenne Klienten, die wenig verdienen oder Hartz IV bekommen. Sobald das Geld da ist, gehen sie in die Spielhalle und bleiben dort, bis sie alles verloren haben."

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort