Serie Ferienalphabet: X Wie Xanten Größte Kirche zwischen Köln und dem Meer

Willich · Egal, aus welcher Himmelsrichtung man sich der Stadt Xanten nähert, der St. Victor Dom ist das erste Bauwerk der Stadt, das man schon aus großer Entfernung erblicken kann. Er ist ein Ort der Spiritualität und der Geschichte. Ein Besuch lohnt sich.

 1263 beginnt das Kapitel unter Propst Friedrich von Hochstaden, die romanische Kirche mit einem gotischen Dom zu überwölben, der in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts als einziger gotischer Dom des Niederrheins fertig gestellt wurde.

1263 beginnt das Kapitel unter Propst Friedrich von Hochstaden, die romanische Kirche mit einem gotischen Dom zu überwölben, der in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts als einziger gotischer Dom des Niederrheins fertig gestellt wurde.

Foto: Fischer Armin

XANTEN Ganz unten in der Krypta des Xantener Doms entsteht so etwas wie Geschichte hautnah. In einem gläsernen Sarkophag liegen gut sichtbar die Gebeine zweier Menschen. Sie tragen an ihren Schädeln deutliche Spuren gewaltsamer Verletzungen. Darüber türmen sich diverse unregelmäßige Aufbauten. Domführerin Mechthild Weigand zeigt mit ihrem Lichtsensor auf einen Punkt etwa zwei Meter oberhalb: "In dieser Höhe befand sich das antike Straßenniveau."

 Die Gebeine des Hl. Viktor ruhen im Dom.

Die Gebeine des Hl. Viktor ruhen im Dom.

Foto: ARMIN FISCHER

Und ein Stückchen weiter oben ragen rechtwinklige Platten aus der Wand, die an eine Tischplatte erinnern. Die Domführerin erläutert, dass es sich hierbei um Reste einer antiken Totenmahlkapelle handelt. Zu Ehren der Verstorbenen wurde hier über den Gräbern Mahl gehalten, gegessen und getrunken. Und tatsächlich wurde in die Platten eine Rinne eingearbeitet, über die Speisen und Getränke in die tiefer liegenden Gräber befördert wurden, quasi um die Toten mit einzuziehen. Sie könnten das Herzstück des heutigen gewaltigen gotischen Kirchenbaus zu Ehren des Heiligen Viktors gewesen sein. "Denn auf der Rückseite der Platte, die ich Ihnen leider nicht zeigen kann, sind zwei Palmzweige eingeritzt", erzählt Mechthild Weigand. "Das deutet darauf hin, dass es sich hierbei um christliche Märtyrer handelt."

Erst 1933 wurden die Gebeine bei Ausgrabungen freigelegt. Um wen es sich genau handelt, kann heute nicht mehr festgestellt werden. Möglicherweise gehören die Verstorbenen zum Umfeld des Heiligen Viktor, des als Mitglied der Thebäischen römischen Legion im Vierten Jahrhundert mit vielen seiner Kameraden in der Nähe von Xanten den Märtyrertod erlitten haben soll.

Oben im Chorraum steht der edelsteinbesetzte Schrein des Heiligen aus dem 12. Jahrhundert. Er ist Mittelpunkt des prächtigen goldenen Hochaltars aus der Zeit der Renaissance, der mit seinen vielen Fächern und den darin eingestellten Reliquienbüsten an einen überdimensionalen Schrank erinnert. Hier im Osten des Doms begann im Jahr 1263 der Neubau des gewaltigen fünfschiffigen Kirchenbaus über einem ottonischen Vorgängerbau aus dem 11. Jahrhundert. Bis 1519 zog sich der Neubau hin, er wanderte quasi von Osten aus in Richtung des romanischen Westwerks mit den beiden markanten Türmen.

Dabei entstand das Bauwerk, das heute als Dom von Xanten bezeichnet wird, obwohl dieser Titel eigentlich nur Bischofskirchen zukommt. Als größter Kirchenbau zwischen "Köln und dem Meer" gilt er und zieht jährlich Tausende von Besuchern an. Und entstanden ist er möglicherweise aus einer brüderlichen Rivalität, denn der damalige Xantener Propst Friedrich von Hochstaden wollte mit seinem Bruder Konrad mithalten, der als Kölner Erzbischof gerade den Dom im hochaktuellen französischen Stil neu errichten ließ, den wir heute als Gotik bezeichnen.

Sehenswürdigkeiten gibt es hier in Xanten zuhauf. An den Pfeilern des Mittelschiffs stehen wunderschöne gotische Skulpturen, das Chorgestühl aus dem 13. Jahrhundert gehört zu den ältesten im Rheinland. Allein 17 Altäre stehen im Kirchraum. Die meisten sind niederrheinischer Herkunft und datieren ins 15. Jahrhundert. Dies alles zeugt von Reichtum und Bedeutung des Gotteshauses, das über 1000 Jahre lang vom Kanonikerstift St. Viktor verwaltet wurde und Mittelpunkt einer wichtigen Wallfahrtstradition war.

Dies belegt auch der Domschatz mit seiner einzigartigen Sammlung liturgischer Textilien, der im benachbarten hochmodernen Stiftsmuseum bewundert werden kann. Und die in den Museumsbau integrierte Stiftsbibliothek mit 20.000 Werken gehört zu den bedeutsamsten am Niederrhein.

Doch unten in der Krypta befindet sich die schlichte, spirituell aufgeladene Keimzelle dieser ganzen Fülle. Die Krypta wurde 1936 durch den Bischof von Münster, Clemens August Graf von Galen geweiht. 1966 wurde der Raum erweitert und dient heute auch als Gedenkstätte für neuzeitliche Märtyrer aus der Zeit des Nationalsozialismus. Da schließt sich dann gewissermaßen ein Kreis.

(eva)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort