Stadt Willich Halle 18 - eine Art Arche Noah

Stadt Willich · Wohnen im Denkmal, das ist nicht nur für betuchte Zeitgenossen möglich. Im Stahlwerk Becker entstanden 28 Wohnungen. Ein Kran im Innenhof sorgt für ein besonderes Ambiente.

Stadt Willich: Halle 18 - eine Art Arche Noah
Foto: Joppen Nadia

Wohnen in einem denkmalgeschützten Gebäude - klischeehaft gedacht, stellt man sich meist vor, dass die Bewohner Mieter oder Käufer sind, die sich wenig Gedanken um finanzielle Fragen machen müssen. Einen ganz anderen Ansatz hat der Willicher Unternehmer Christian Paschertz bei der Sanierung einer Werkstatthalle im früheren Stahlwerk Becker in Willich umgesetzt. In der denkmalgeschützten früheren "Gesenkschmiede" - einer Halle mit einer Grundfläche von rund 2700 Quadratmetern und einer Höhe von etwa 18 Metern - hat er Wohnungen für Menschen gebaut, die wegen steigender Mieten bezahlbaren Wohnraum suchen und Anrecht auf einen Wohnberechtigungsschein haben.

 Die Innenhöfe bieten einen Blick auf das historische Mauerwerk mit den offenen Rundbögen und dem offenen Dach. Mieter wie Peter und Bertha Fuchs (von links), Barbara Wolf, Andrea Voß sowie Jürgen Wittbrodt mit Tochter Celine fühlen sich in dem ungewöhnlichen Wohn-Ambiente wohl.

Die Innenhöfe bieten einen Blick auf das historische Mauerwerk mit den offenen Rundbögen und dem offenen Dach. Mieter wie Peter und Bertha Fuchs (von links), Barbara Wolf, Andrea Voß sowie Jürgen Wittbrodt mit Tochter Celine fühlen sich in dem ungewöhnlichen Wohn-Ambiente wohl.

Foto: Nadia Joppen

Entstanden ist ein Geschäfts- und Loft-Wohnkonzept, das den historischen Charakter von Industriebauten aus dem beginnenden 20. Jahrhundert mit modernem Wohnkomfort verbindet. Gebaut wurde nach einem Haus-in-Halle-Konzept: Von außen sieht der Betrachter das historische Mauerwerk aus der Entstehungszeit des Stahlwerks Becker. Im Inneren sind moderne Bereiche für Einzelhandel im Erdgeschoss entstanden - mit einem Discounter als Ankermieter und Basis für das Konzept. Darüber wurden in drei, durch Innenhöfe getrennten Wohnkomplexen auf zwei Etagen insgesamt 28 öffentlich geförderte Wohnungen gebaut: 20 Dreizimmer-Wohnungen und je vier Vier- beziehungsweise Fünfzimmerwohnungen. Die Quadratmeter-Größen gehen von 77 Quadratmeter (drei Zimmer) bis 111 Quadratmeter). Alle sind barrierefrei, einige rollstuhl-geeignet. Jede Wohnung hat eine Loggia oder eine Terrasse, Laminatböden und Fußboden-Heizung. Die größeren Einheiten gehen teils über zwei Etagen, die mittels Holztreppe verbunden sind. Geheizt wird über eine Wärmepumpe, jeder Raum ist mit Kabeln und Dose für den Anschluss von PC und Internet ausgerüstet, sodass zum Beispiel Kinder ihre Schulaufgaben, für die sie Internet-Zugang benötigen, machen können. "Wir achten bei allen Bauprojekten auf Standards, die zu unserem Unternehmen passen - diesen Anspruch haben wir auch in der Halle 18 umgesetzt, vor allem, was das Energiekonzept betrifft", so Paschertz.

Das Hallendach der früheren Gesenkschmiede ist offengeblieben, in einem Innenhof ist noch der mächtige alte Kran aus der Industriezeit vorhanden und gibt dem Ganzen eine besondere Prägung. Auch die Treppenaufgänge zu den Wohnungen sind offen. "Das war für einige Mieter ein ganz neues Gefühl", meint Paschertz.

Die Mieter-Struktur ist unterschiedlich. In den Dreizimmer-Wohnungen leben meist jüngere Leute ab Mitte 20, in den größeren Wohnungen Familien mit Kindern. Damit das Miteinander der Menschen in den Wohnungen passt, achtet die Wohnungsverwaltung auf die Bewerber, so Paschertz - und ist oft unterstützend tätig: "Es ist ja durchaus üblich, sich als Vermieter nach der finanziellen Situation eines Bewerbers zu erkundigen. Wenn wir die monetären Verhältnisse erfahren, können wir häufig den Rat geben, sich einen Wohnberechtigungsschein zu holen. Viele sind sehr dankbar für den Hinweis, weil sie diese Möglichkeit nicht kennen", so Paschertz. Er hat das Projekt gezielt so aufgestellt, weil in Deutschland und in Willich der Bedarf nach bezahlbaren Mietwohnungen steigt.

Barbara Wolf, ihr Mann und die beiden Kinder waren die ersten Mieter, die im Dezember 2013 in die Halle 18 eingezogen sind. Sie fühlen sich wohl, "es war das Ungewöhnliche, das uns gereizt hat. Das ist wie eine Arche Noah, man fühlt sich sicher, weil das Gebäude einen umgibt", meint Barbara Wolf, und Tochter Anastasia bestätigt: "Hier kann man gut wohnen." Die 13-Jährige freut sich, dass sie auf der Terrasse mit ihren Freundinnen turnen kann. Unter den Mietern haben sich Nachbarschaftsgruppen gefunden. "Wir haben mit einigen zusammen gegrillt oder Silvester gefeiert. Aber man sieht sich nicht so oft, fast alle sind berufstätig", erzählt Barbara Wolf.

Ein praktischer Vorteil für sie waren die Einkaufsmöglichkeiten im Erdgeschoss mit der Kombination Lidl, dm und Bäckerei Stinges. Sie hat eine schwere Erkrankung überstanden, sollte es aber noch einmal dazu kommen, wäre es für die Kinder leicht, mal schnell ohne Fahrrad einkaufen zu gehen. Ein Manko: "Hier in der Gegend fehlt eine Eisdiele...", sagt sie lächelnd.

(djm)
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