Stadt Kempen Harte Kost: Düsteres und Bedenkenswertes

Stadt Kempen · Einen ernsten Liederabend boten Anna Prohaska und Eric Schneider in der Paterskirche.

 Viel Beifall bekamen Anna Prohaska und Eric Schneider nach ihrem Konzert in der Paterskirche.

Viel Beifall bekamen Anna Prohaska und Eric Schneider nach ihrem Konzert in der Paterskirche.

Foto: wolfgang kaiser

"Gewöhnungsbedürftig" antwortete ein Zuhörer in der fast ausverkauften Paterskirche seinem Nachbarn auf die Frage, wie ihm der Liederabend mit Anna Prohaska und Eric Schneider gefalle. Mit dieser Meinung dürfte der Besucher ziemlich alleine gestanden haben, denn der Schlussapplaus nach diesem außergewöhnlichen Abend steigerte sich zum ausgiebigen Jubel. Zwar brauchten Einige im aufmerksamen Auditorium ein wenig Zeit, um sich auf die harte vokale Kost einzulassen, doch die Faszination stieg von Vortrag zu Vortrag.

"Behind the Lines - Hinter den Linien" hatten die beiden Künstler ihr im Jahr 2014 zusammengestelltes Programm genannt - zum Gedenken an den 1914 ausgebrochenen ersten Weltkrieg. Jedes der Lieder, die musikhistorisch die Zeit vom 16. Jahrhundert bis zur Gegenwart umfassen, kündet in irgendeiner Weise vom Krieg und seinen schrecklichen Folgen.

Hier kann es nicht vordergründig um Schöngesang gehen - Ausdruck, manchmal auch "hässlicher", ist vonnöten. Da war die in Berlin lebende Mitdreißigerin Anna Prohaska, Tochter eines österreichischen Opernregisseurs und einer irisch-englischen Sängerin, spürbar in ihrem Element. Rüstzeug hat sie sich - nach einer qualifizierten Ausbildung - in diversen Opernproduktionen, beispielsweise an ihrem Stammhaus, der Berliner "Oper unter den Linden", geholt.

Die Sopranistin hatte ihren leuchtenden, vorbildlich und bruchlos geführten Sopran, der weder in der Höhe noch in der Tiefe Grenzen erkennen lässt, in einer Weise im Griff, die ihr alle vokalen Experimente erlaubte - immer ganz nah am manchmal erschreckenden Text. Dabei vermied die nur mit ihrer Stimme und eher verhaltener Mimik arbeitende Künstlerin fast jede Bewegung, ließ die erschütternde Musik für sich wirken. Das unschuldige "Kriegslied eines Kindes" (von Hanns Eisler, der an diesem Abend mit einer ganzen Reihe seiner Lieder vertreten war), nahm genauso gefangen wie ein in russischer Sprache gesungenes Lied von Sergej Rachmaninow oder ein englisches von Thomas Traill - beide künden vom Schmerz der Kriegerwitwen.

Vor allem "Kriegers Ahnung" und "Ellens Gesang", beide aus der Feder von Franz Schubert, zeigten die kostbaren lyrischen Seiten der vielseitigen Sängerin. Ellens Gesang schließt versöhnlich mit der tröstenden Aussage "Der Krieg ist aus", doch daran schloss sich ohne Pause neuer Schrecken im Fortissimo an: "Untergang" von Wolfgang Riehm.

Franz Liszt's "Jeanne d'Arc", Schumanns "Die beiden Grenadiere", Gustav Mahlers "Wo die schönen Trompeten blasen" oder Francis Poulencs "Rückkehr des Sergeanten" führten dem ergriffenen Publikum die Sinnlosigkeit und Grausamkeit des Krieges ebenso vor Augen wie der abschließende "Grabgesang für zwei Veteranen", in schrillen Farben vertont von Kurt Weill.

Doch was wäre eine derart anspruchsvolle und völlig gegensätzliche Liedfolge ohne einen Pianisten, der nicht nur vollendet sein Instrument beherrscht, sondern auch willens und in der Lage ist, solche kompositorischen Extreme mit seiner Kunst zu veredeln.

Eric Schneider, international als Begleiter und auch als Dozent an der "Hochschule für Musik Hanns Eisler" in Berlin gefragt, ist ein solcher Mitgestalter. Er steht wie Prohaska, deren Interpretationsvorgaben er nahtlos und traumwandlerisch sicher mitvollzog, völlig hinter dem gewagten Projekt, das keinen gängigen Liederabend bietet, sondern vom Zuhörer Mitdenken verlangt. Phasenweise war die immer stützende Begleitung Schneiders kaum wahrzunehmen, so sehr nahm er sich zurück, dann wieder preschte er klanglich vor, um Wichtiges vor- oder nachzubereiten.

Fazit: Ein Duo, wie es feiner abgestimmt nicht hätte sein können.

(RP)
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