Stadt Willich Hubertus Heil sprach im Gründerzentrum

Stadt Willich · Das geplante Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA sorgt in Deutschland derzeit für teils polemische Diskussionen. SPD-Wirtschaftsexperte Hubertus Heil fordert in Willich "Mut zur Differenzierung".

 Der frühere SPD-Generalsekretär und Wirtschaftsexperte Hubertus Heil kam auf Einladung der Willicher SPD ins Gründerzentrum im Stahlwerk Becker.

Der frühere SPD-Generalsekretär und Wirtschaftsexperte Hubertus Heil kam auf Einladung der Willicher SPD ins Gründerzentrum im Stahlwerk Becker.

Foto: AP

"Bundestagsfraktion vor Ort" - der Kreis Viersener Bundestags-Abgeordnete Udo Schiefner (SPD) hatte einen kompetenten Gast für die SPD-Diskussionsveranstaltung in das Gründerzentrum des Stahlwerks Becker eingeladen: Aus Berlin kam der frühere SPD-Generalsekretär und Wirtschaftsexperte Hubertus Heil. Das Thema "TTIP - Chancen und Risiken - Welche Auswirkungen hat das Freihandelsabkommen auf die Standards der sozialen Marktwirtschaft?"

Heil formulierte seine Einstellung gleich zu Anfang: Er werde "keinen euphorischen Vortrag" pro TTIP halten, aber auch nicht den "Untergang des Abendlandes" prophezeien. Er fordere "Mut zur Differenzierung" und wolle die Pros und Kontras mit den rund 80 Zuhörern diskutieren. Zuerst informierte er über den aktuellen Stand: Die EU arbeitet derzeit an zwei Freihandelsabkommen - das CETA (Kanadisch-europäische Freihandelsabkommen) sei weitestgehend verhandelt, die Texte (1600 Seiten) lägen vor. Anders sei die Situation bei TTIP - der Transatlantic Trade and Investment Partnership: TTIP wird seit Juli 2013 verhandelt, es habe neun Verhandlungsrunden zwischen der EU und der US-Regierung gegeben, aber es gebe noch keine Papier-Vorlage. Auch die Abschlussfrist zwischen den beiden Seiten sei ziemlich offen - Bundeskanzlerin Angela Merkel dränge aber darauf, das Abkommen noch mit der Obama-Regierung zu schließen.

Heil erkannte klar, dass TTIP im Moment in Deutschland nicht beliebt ist - eine Folge der ersten Verhandlungsphase, über die die Öffentlichkeit nicht informiert gewesen worden sei. Diese mangelnde Transparenz habe zu Sorgen bis hin zu Verschwörungstheorien geführt. Er sieht aber Besserung, seit die neue EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström im Amt ist. Weiteres Problem ist aus Heils Sicht das Thema Investitionsschutz und Schiedsgerichtsverfahren - es gebe die Sorge, dass die Interessen eines Konzerns über die demokratischen Interessen eines Landes siegen könnten. Daher dürften diese Themen nicht von undurchsichtigen "law-Firmen" entschieden werden, sondern in von Richtern besetzten Gremien bis hin zu einem Internationalen Handelsgerichtshof.

Positiv sah Heil, dass ein von Sigmar Gabriel entwickeltes Lösungsmodell mittlerweile von fast allen europäischen Staaten unterstützt wird. Wichtig war Heil die Bewahrung deutscher und europäischer Standards - bei Arbeitnehmerrechten, Lebensmittelqualität, Umwelt-, Natur- oder Datenschutz. Andererseits gebe es zum Beispiel bei der Medikamenten-Zulassung in den USA höhere Standards als bei uns.

TTIP sei aber auch für die deutsche Wirtschaft wichtig, denn das Abkommen könne Export-Hemmnisse abbauen und beispielsweise zweifache Zulassungsverfahren vermeiden helfen. Sein Fazit: Eine differenzierte und kompromiss-fähige Verhandlungsführung könne ein gutes Ergebnis für beide Seiten des Atlantiks bringen - und es gebe immer eine weitere Absicherung: TTIP muss von allen 27 nationalen Parlamenten verabschiedet werden, weil auch Landesgesetze berührt würden. Einem "schlechten TTIP" werde die SPD nicht zustimmen, so Heil.

Die anschließende rund 45-minütige Diskussion reflektierte ziemlich genau die von Heil aufgeführten Sorgen. Als einer der Zuhörer meinte, er "glaube" nicht an die Vorteile von TTIP, entgegnete Heil, dass dieser Begriff nicht in die Debatte gehöre, sondern es um Fakten gehe. Zuhörer Wolfgang Rohde meinte, aus seiner Sicht als früherer Gewerkschafter bringe TTIP auch Chancen, Arbeitnehmerrechte leichter in globalen Unternehmen umzusetzen als bisher.

(djm)
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