Stadt Willich "Kampf auf dem Rücken der Kinder"

Stadt Willich · Die zweite Woche Kitastreik ist in Willich angelaufen. Am Freitag werden acht der elf städtischen Kitas streiken. Notfallgruppen sind eingerichtet, darunter auch in der Schiefbahner Kita Blauland.

Kita-Streiks in NRW: Verdi-Kundgebung in Dortmund
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Christoph Tepper hat etwas gegen Erpressung - und momentan fühlt er sich auf der ganzen Linie erpresst. "Der Kitastreik heißt ganz klar: Wir betreuen eure Kinder nicht, wenn ihr nicht mehr zahlt. Das ist in meinen Augen Erpressung, die auf dem Rücken der Kinder und Eltern ausgetragen wird, und die wir Eltern und die Träger später tragen werden, wenn es wegen gestiegener Löhne zu höheren Kitabeiträgen kommt", sagt Tepper. Was ihn dabei besonders erbost, ist, dass man diesem Streik nicht ausweichen kann. "Streikt die Bahn, kann ich das Auto nehmen. Beim Kitastreik habe ich keine Chance, wenn nicht gerade Oma und Opa in der Nähe wohnen", bemerkt der Vater, der nicht der einzige ist, der gestern Morgen mit etwas gestresstem Gesicht sein Kind in die Schiefbahner Kita Blauland brachte, die eine Notfallgruppe eingerichtet hat.

Dass dort ansonsten ebenfalls gestreikt wird, verraten das große weiße Banner mit der Aufschrift "Wir streiken" vor dem Eingang sowie ein rotes Schild "Achtung Streik" an der Tür. Über die Notfallbetreuung, für die sich die Eltern anmelden konnten, ist Tepper genauso froh wie alle anderen Eltern. "Doch was machen wir, wenn sich der Streik länger hinzieht und auch keine Notfallbetreuung mehr angeboten wird?", fragt sich Tim Horn. Großeltern, auf die er zurückgreifen könnte, wohnen nicht in der Nähe, und mit den Urlaubstagen sieht es knapp aus. Aufgrund der hohen Forderungen befürchtet nicht nur er, dass sich die Streiks lange hinziehen könnten.

"Die aktuelle Situation ist für unsere Familie Stress pur. Vergangene Woche war mein Arbeitgeber so nett und hat mich drei Tage Urlaub nehmen lassen, obwohl ich mich in der Probezeit befinde. Mein Mann konnte zudem einem Home-Office-Tag einlegen. Wir sind dankbar für die Notbetreuung, aber was ist, wenn sie wegfällt?", sorgt sich Christina Speicher. Für Natalie Still ist die Situation ebenfalls eine Katastrophe: "Ich bin selbstständig und kann keinen Urlaub nehmen oder Überstunden abfeiern. Und mit Kind arbeiten geht nicht. Dazu kommt: Die Oma ist in Urlaub", fasst sie zusammen. Sie verstehe zwar die Erzieherinnen und sei froh über die Notbetreuung, aber die aktuelle Lage sei sehr belastend.

3000 Teilnehmer bei Demo zum Kita-Streik in Köln
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Die Ungewissheit, wie lange der Streik dauert, macht auch Roman Lieutenant Sorgen. "Die erste Woche haben wir durch die Familie überbrückt. Wenn die Notbetreuung wegfallen sollte, müssen wir erneut die gesamte Familie einspannen, um die Tage, an denen meine Frau und ich voll durcharbeiten, zu überbrücken", sagt der Vater. Verständnis für die Erzieherinnen zeigt Patrick Losa. "Wichtig ist aber, das eine Notbesetzung für berufstätige Eltern da ist. Wir haben noch die Ausweichmöglichkeit Großeltern, wenn sie wieder aus dem Urlaub zurück sind, aber andere haben das nicht", meint Losa.

Mit der Notbetreuung werde es nicht eng, aber ohne gäbe es Probleme, sagt auch Melanie Brabender: "Dann müsste ich Urlaub nehmen, anders ginge es bei uns derzeit nicht." Mit Urlaub sieht es bei Thomas Hoff als selbstständiger Tischler schlecht aus, und auch seine Frau, die als Lehrerin arbeitet, kann nicht einfach Urlaub nehmen. "Wir haben Oma und Opa als Notreserve", kommentiert er die derzeitige Lage.

"Für die Eltern stellt die aktuelle Situation eine Belastung da. Wir versuchen, so gut es geht, Angebote zu machen. Aber es kann vorkommen, dass Eltern ihr Kind in eine andere Kita zur Notfallbetreuung bringen müssen. Es ist keine schöne Situation", sagt Michael Süßbeck, Betriebsleiter Tagesbetreuung Kinder, der auch hofft, dass der Streik nach der zentralen Kundgebung am Freitag ein Ende findet.

(tref)
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