Flüchtlingsunterkunft Mutmaßlicher IS-Komplize blieb in Willich unauffällig

Stadt Willich · Khalil A. soll dem festgenommenen Islamisten Dschaber al Bakr seine Wohnung für den Bau eines Sprengsatzes zur Verfügung gestellt haben. Er lebte seit dem 6. Januar in der Niershalle in der Stadt Willich. Ehrenamtlichen Helfern war der Syrer nicht negativ aufgefallen.

 Die Neersener Niershalle wurde von November 2015 bis in den Juli dieses Jahres als Flüchtlingsunterkunft genutzt.

Die Neersener Niershalle wurde von November 2015 bis in den Juli dieses Jahres als Flüchtlingsunterkunft genutzt.

Foto: Hüskes Achim

Willichs kleinster Stadtteil Neersen stand am Dienstag im besonderen Interesse des Staatsschutzes. Der 33-jährige Syrer Khalil A., der seine Wohnung in Chemnitz seinem Landsmann Dschaber al Bakr (22) für den Bau eines Sprengsatzes zur Verfügung gestellt haben soll, lebte vom 6. Januar an in der Niershalle, die von der Stadt Willich bis zum Sommer als Flüchtlingsunterkunft genutzt wurde. Städtische Mitarbeiter, die Kontakt zu Khalil A. hatten, sprachen mit dem Staatsschutz, dürfen sich der Öffentlichkeit gegenüber jedoch nicht äußern.

Zu den ehrenamtlichen Helfern, die sich damals in der Initiative "Schlopapp" (für die an der Niershalle gelegenen Straßen "Am Schlosspark" und Pappelallee) um die Flüchtlinge kümmerten, scheint Khalil A. wenig Kontakt gehabt zu haben. Eine ehrenamtliche Helferin erinnert sich nur vage an Khalil A: "Ich kannte ihn vom Sehen her, aber mir ist nichts Besonderes aufgefallen. Dafür kannte ich ihn aber auch zu wenig", sagt sie. Die Helfer hätten sich ohnehin vorwiegend um die vielen in der Halle lebenden Familien gekümmert, berichtet ein anderer Helfer, der sich nicht an den Mann erinnern kann. "Die allein reisenden Männer waren weit weniger ,betreuungsintensiv'", sagt er.

Flüchtlingsunterkunft: Mutmaßlicher IS-Komplize blieb in Willich unauffällig
Foto: Stadt Willich

Natürlich hätten sich einige der damaligen Helfer schon über das Geschehene unterhalten, schließlich sei man neugierig, wer dieser Mensch sei. "Aber die, mit denen ich gesprochen habe, können sich an niemanden mit dem Namen Khalil erinnern", sagt der Helfer. "Auffällig unauffällig" seien die Flüchtlinge gewesen, jedenfalls ganz und gar nicht so, wie man sich einen Terroristen naiverweise vorstelle — mit Vollbart und grimmigem Blick beispielsweise. In der Rückschau will ihm niemand einfallen, dem er eine terroristische Tat zutrauen würde.

Anne Seegers, die sich nach wie vor um Flüchtlinge kümmert, ist nicht geschockt, dass unter den Menschen in der Niershalle der Komplize des mutmaßlichen Terroristen Dschaber al-Bakr lebte: "Es kann passieren, dass sich unter den Menschen, die hier Schutz suchen, auch schwarze Schafe befinden. Da möchte ich niemandem einen Vorwurf machen. Es handelte sich damals um eine Extremsituation, als Deutschland quasi von Flüchtlingen überrollt wurde." Die Arbeit mit Flüchtlingen sei für sie eine Bereicherung, es seien tiefe Bindungen zu den Menschen entstanden, die dadurch umso intensiver wurden, je mehr man über die furchtbaren Schicksale der Geflüchteten erfahren habe. "Ich würde es immer wieder tun", sagt sie.

 Die Neersener Niershalle wurde von November 2015 bis in den Juli dieses Jahres als Flüchtlingsunterkunft genutzt. Sie bot Platz für bis zu 180 Menschen, die in abgetrennten Räumen mit bis zu sechs Personen lebten.

Die Neersener Niershalle wurde von November 2015 bis in den Juli dieses Jahres als Flüchtlingsunterkunft genutzt. Sie bot Platz für bis zu 180 Menschen, die in abgetrennten Räumen mit bis zu sechs Personen lebten.

Foto: Stadt (3), Hüskes

Die Neersener Niershalle wurde in der Zeit von November 2015 bis in den Juli dieses Jahres als Flüchtlingsunterkunft genutzt, danach erfolgte der "Rückbau" zur Sporthalle, der recht problemlos verlief. Größere Instandsetzungsarbeiten waren trotz vorheriger Befürchtungen nicht vonnöten. Die Halle, in der Teppich ausgelegt worden und in der Stellwände als Abtrennung einzelner "Zimmer" errichtet worden waren, bot maximal 180 Personen Platz. "Zu Zeiten maximaler Auslastung waren dort 172 Personen gleichzeitig untergebracht. Insgesamt haben dort rund 250 unterschiedliche Personen gelebt", sagte Willichs Pressesprecher Michael Pluschke auf Nachfrage.

Eine spezielle psychologische Betreuung der dort untergebrachten Menschen habe es nicht gegeben, ebenso wenig habe es von Land, Bund oder einer anderen übergeordneten Stelle Informationen für die Mitarbeiter der Verwaltung und freiwilligen Helfer gegeben, worauf sie im Umgang mit Flüchtlingen achten sollten, um potenzielle Kriminelle oder Terroristen zu erkennen. Für die Registrierung der Flüchtlinge sei grundsätzlich das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) zuständig; üblicherweise werden die Asylbewerber einzeln dazu eingeladen. "An einem speziellen Tag wurde in Amtshilfe der Zoll eingeschaltet; er hat einen Termin in der Niershalle anberaumt und dort dann bestimmte nach Staatsangehörigkeit ausgesuchte Flüchtlinge (aus Syrien und Afghanistan) registriert", teilt Pluschke mit.

Als die Nutzung der Niershalle als Flüchtlingsunterkunft im Juni auslief, wurden alle dort zu diesem Zeitpunkt noch untergebrachten rund 140 Flüchtlinge in der Unterkunft Moltkestraße untergebracht, so der Pressesprecher weiter. In den städtischen Unterkünften halten sich aktuell laut Pluschke genau 402 Personen auf; darunter sind etwa 50 Personen, die entweder eine "Flüchtlingseigenschaft" oder "subsidiären Schutz" vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) anerkannt bekommen haben: "Diese Personen haben bereits den Asylantrag positiv beschieden bekommen und erhalten Leistungen nach dem SGB II", so Pluschke.

(RP)
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