Interview: Serie Vor 360 Jahren Neersen - Stockholm und zurück

Stadt Willich · Der Herr von Virmond auf Schloss Neersen wurde 1654 zur Königshochzeit nach Schweden geschickt - und verpasste sie. Eine Kostenrechnung informiert im Detail.

Den dienstlichen Auftrag, den der Herr von Neersen in Herbst und Winter des Jahres 1654 zu erledigen hatte, kann man durchaus außergewöhnlich nennen. Adrian Wilhelm von Virmond war als Generalwachtmeister höchster Militär des in Düsseldorf residierenden Herzogs Philipp Wilhelm von Jülich-Berg und Herzog von Pfalz-Neuburg. Dieser wiederum war ein Verwandter des Herzogs von Pfalz-Zweibrücken, der sich 1654 mit Hedwig Eleonore Herzogin von Holstein-Gottorp vermählte und als König Karl X. Gustav in Uppsala soeben den schwedischen Thron bestiegen hatte.

Unter Berufung auf die nahe Verwandtschaft und die guten beiderseitigen Beziehungen lud er Philipp Wilhelm von Jülich-Berg am 18. August 1654 zur bevorstehenden Hochzeit ein. Eine Einladung mit durchaus politischem Hintergrund, denn in möglichen Erbfragen des pfälzischen Gesamthauses könnten die beiden Konkurrenten werden.

Doch die aktuelle politische Lage erlaubte Philipp Wilhelm keine längere Abwesenheit von Düsseldorf, und so entschuldigte er sich mit schwierigen Regierungsgeschäften ("schwerer regierungs occupationes"). Aber er ließ sich vertreten und entsandte Adrian Wilhelm von Virmond zu Neersen, einen erfahrenden Kriegsmann und Diplomaten, nach Stockholm. Das im Landesarchiv erhaltene Reisetagebuch, eigentlich ein Spesenbeleg, vermittelt uns in allen Einzelheiten, was es damals bedeutete, ein Ziel zu erreichen, das heute bequem in zwei Stunden angeflogen werden kann.

Am 11. Oktober 1654 verließ Virmond Düsseldorf mit einem Rheinschiff Richtung Wesel. In seiner Begleitung war kein Geringerer als Gerhard Vynhoven, der sich gerade zur Gründung der Kapelle Klein-Jerusalem bei Neersen anschickte. Außerdem der Kammerdiener Ottmann, der Lakei Wolf und ein Diener namens Gian. In Emmerich kaufte Virmond eine Landkarte. Weiter ging es über Zwolle nach Groningen. In Delfzijl besorgte Vynhoven "allerhand Victualien zu der reisen auf See". Dazu gehörten Geflügel, Rindfleisch, Lammfleisch, spanischer und französischer Wein, Branntwein, Tinte und Papier.

Bis Dornumersiel in Ostfriesland ging es per Schiff weiter, doch dann setzte eine große Flaute ein und man zog über viele Stationen auf dem Landweg bis Hamburg. Mehrere Tage logierte man im Gasthaus "Prinz von Oranien". Und ausgerechnet im evangelischen Hamburg kaufte Vynhoven Textilien, Kerzen und andere Dinge zur Ausstattung seiner Kapelle.

Nach Aufenthalten in Lübeck und Travemünde trat Virmond mit seiner Begleitung endlich die Seereise über die Ostsee an. Bis zum Hafen von Dalarö dauerte sie vom 19. bis 27. November. In seinem Abschlussbericht machte Virmond ungünstige Begleitumstände für sein verspätetes Eintreffen in Stockholm verantwortlich. Wegen widrigen "windtz" und anderer "verhindernussen" wäre die Verzögerung eingetreten. Die königliche Hochzeit war vorbei, denn am 28. November wurden, wie Virmond festhielt, die Hochzeitsfeierlichkeiten mit einem "aufzug geendiget".

Virmond wurde von König Karl X. Gustav zur Audienz gebeten, mit königlichen Kutschen und zehn Lakeien zum Schloss gefahren. Der König bedankte sich, dass Herzog Philipp Wilhelm trotz in Düsseldorf zu spät eingetroffener Einladung Virmond nach Stockholm gesandt hatte. Inzwischen hatte der König auch ein Glückwunschschreiben des Herzogs erhalten. Beim Empfang des Gastes vom Niederrhein stand der König ohne Hut und Mantel, nur mit dem Degen, mitten im Zimmer umgeben von etlichen Reichsräten.

Neben dem Austausch von Höflichkeiten wurden auch politische Themen besprochen. So riet der König dem Herzog, die Spanier aus Jülich zu treiben. Damit wird gemeint gewesen sein, dass spanische Truppen immer noch die wichtige Festung Jülich besetzt hielten.

Aber Karl X. Gustav erkundigte sich auch, wie der Herzog in Düsseldorf seine Zeit verbrächte ("die zeit passirten"). Auch hätte er gehört, dass der Herzog ein guter Reiter wäre. Im Rahmen von Dank- und Höflichkeitsbezeugungen bewegte sich die Audienz, die dem Herrn von Neersen anschließend von der jungen schwedischen Königin gewährt wurde. Die alte Königin ließ sich krankheitshalber entschuldigen.

(RP)
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