Analyse Neuer Geschäftsführer für schwere Zeiten

Willich · Der Wechsel in der Geschäftsführung von St. Irmgardis ist nur auf den ersten Blick überraschend

Die Leute auf der Straße dürften bei der Personalie mit den Schultern gezuckt haben. Im Gesundheitssektor der Region aber ließ die Nachricht Mitte Oktober aufhorchen: Ottmar Köck, Regionalgeschäftsführer der St.-Franziskus-Stiftung Münster, geht. Für ihn ist bereits jetzt Dr. Conrad Middendorf gekommen. St. Franziskus wollte sich zu der Personalie nicht weiter äußern. Köck war für eine Stellungnahme nicht erreichbar. Die Stiftung gehört zu den größten konfessionellen Krankenhausträger in Nordwestdeutschland.

Köck soll nach Informationen unserer Redaktion nach der Bekanntgabe des Personalwechsels freigestellt worden sein. Als Begründung für die Trennung heißt es bei der Münsteraner Stiftung: "auf Grund unterschiedlicher Auffassungen über die zukünftige Ausrichtung der Kliniken am Niederrhein". Angeblich soll der scheidende Regionalgeschäftsführer selbst diese Formulierung gewählt haben. Die Lesart von Insidern im Gesundheitssektor ist eine andere: Es knirschte offenbar schon lange zwischen dem Regionalgeschäftsführer und der Stiftungsleitung. Und es knirschte vor allem auch in Süchteln.

Zum Hintergrund: In die Zuständigkeit des Regionalgeschäftsführers fallen drei Krankenhäuser am Niederrhein: St. Irmgardis in Viersen-Süchteln, St. Elisabeth in Meerbusch-Lank und St. Bernhard in Kamp-Lintfort.

Das auf Rheuma-Erkrankungen spezialisierte Haus in Meerbusch gilt als Top-Klinik unter den 13 Krankenhäusern, die der St.- Franzikus-Stiftung gehören. Es genießt einen ausgezeichneten Ruf. St. Bernhard ist ein Grund- und Regelversorger in einer wirtschaftlich arg gebeutelten Region. Es hat sich gerade mit einer Reihe neuer Chefärzte unter anderem in der Kardiologie und Chirurgie sowie einer Palliativstation medizinisch neu aufgestellt; das Bettenhaus wird modernisiert. St. Irmgardis Süchteln baut gerade eine Geriatrie auf. Ein neues Bettenhaus für 7,2 Millionen Euro wird gerade neu gebaut. Die Sanierung der Notaufnahme für eine weitere Million ist geplant. In Süchteln ist absehbar, dass der wirtschaftliche Druck im kommenden Jahr wachsen wird.

Als kleines Haus mit rund 145 Betten muss St. Irmgardis sich wie viele Kliniken derzeit am Markt behaupten. Das neue Bettenhaus soll Mitte kommenden Jahres fertig werden. Man muss kein Betriebswirt sein, um sich ausrechnen zu können, dass die Refinanzierung des Neubaus - 4,5 Millionen Euro kommen aus dem Erbbaurechtsvertrag von St. Irmgardis - nicht leicht wird. Für den Aufbau der Geriatrie hat St. Irmgardis bereits das Personal aufgestockt. Doch erst wenn das Bettenhaus fertig ist, kann in Betrieb in vollem Umfang laufen.

Erschwerend kommt die Krankenhausreform hinzu. Sie wird durch den Fixkostendegressionsabschlags dazu führen, dass die Mehrleistungen der Krankenhäuser künftig schlechter vergütet werden. Köck selbst hatte noch im September im Interview über die Krankenhausreform mit unserer Zeitung angesagt, dass der Abschlag bei etwa 50 Prozent liege. Damit trifft die Reform St. Irmgardis besonders hart: Wenn im kommenden Jahr das neue Bettenhaus fertig wird, würden die neuen Patienten der Geriatrie als Mehrleistungen zu Buche schlagen, aber deutlich weniger Mehreinnahmen bringen als erwartet.

Köck hatte in dem Interview weiter eingeräumt, dass die Reform das Handeln langfristig schwieriger mache und dass man die Sanierung des Altbaus möglicherweise nach hinten schieben müsse.

Überraschend kam die Nachricht vom Personalwechsel für St. Irmgardis dennoch: Nicht zuletzt schreiben es Insider oft Köck zu, dass er die Geriatrie mit 60 Betten gegen acht konkurrierende Krankenhäuser der Region nach Süchteln geholt haben soll - möglicherweise auch dank guter Kontakte ins Gesundheitsministerium, die aus seiner Zeit als Verwaltungsleiter im Sauerland Ende der 1990er Jahre herrühren. Vielleicht reagierten die Konkurrenz-Krankenhäuser - neben dem knallharten Wettbewerb um den Wachstumsmarkt Altersmedizin - gerade auch aus diesem Wissen heraus so verschnupft auf den Vergabe-Beschluss: Bei dem Düsseldorfer Verwaltungsgericht liegen mehrere Klagen und Widersprüche gegen den Beschluss vor (unsere Zeitung berichtete).

Köcks Nachfolger Dr. Conrad Middendorf hat Mitte Oktober bereits seinen Dienst am Niederrhein aufgenommen. Er scheint das Vertrauen der Stiftung zu genießen und soll offenbar gerade St. Irmgardis durch die entscheidenden kommenden Jahre lenken. In der Region selbst ist er nicht verhaftet. Der 40-jährige Betriebswirtschaftler ist seit 2005 bei der St.-Franziskus-Stiftung. Seit 2007 war er kaufmännischer Leiter und Geschäftsführer in Einrichtungen in Norddeutschland. Dort fing sich die Stiftung aus Münster vor etwa drei Jahren die Schelte des Bremerhavener Oberbürgermeisters Melf Grantz ein, als sie die Frauenklinik und Geburtshilfe des dortigen St.-Joseph-Hospitals recht überraschend schloss: "Das war alles andere als ein vertrauensvolles und kooperatives Handeln", kommentierte Grantz seinerzeit. In Bremerhaven betreibt St. Franziskus inzwischen kein Krankenhaus mehr.

(RP)
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