Stadt Willich Schiefbahn auf 352 Seiten

Stadt Willich · Rudolf Tillmanns stellt sein zweites Buch vor: "Mein Schiefbahn, was hast du alles erlebt". Es geht diesmal um die Geschichte der Brauerei und Gaststätte "Zum alten Brauhaus", in der bis 1990 der Gerstensaft floss.

 Rudolf Tillmanns, älteren Schiefbahnern nur als "Stammen Rudi" bekannt, zeigt sein neues Buch.

Rudolf Tillmanns, älteren Schiefbahnern nur als "Stammen Rudi" bekannt, zeigt sein neues Buch.

Foto: Wolfgang Kaiser

"Vielleicht bin ich durch das Schreiben so alt geworden", sagt lächelnd Rudolf Tillmanns, den viele ältere Schiefbahner nur als "Stammen Rudi" kennen. Immerhin wird der Ur-Schiefbahner am 24. April 92 Jahre alt! Und ein wenig Stolz kann er darauf sein, dass er jetzt in schriftlicher Form weitere Spuren seiner Familie und vor allem des alten Schiefbahns hinterlassen hat. Gerade ist sein zweites Buch fertig geworden: "Mein Schiefbahn, was hast du alles erlebt."

Sein erstes Buch hieß "Ich bin ein Schiefbahner Junge". Jetzt legte Rudi Tillmanns nach. Es geht diesmal um die Geschichte der Brauerei und Gaststätte "Zum alten Brauhaus", in der bis 1990 der Gerstensaft floss. Seit 1633 standen neun Generationen der Familien von Stammen und Tillmanns hinter der Theke der früheren Brauerei. Und da wurde natürlich viel erzählt, bekam Knirps Rudi, als er früher dort aushalf, vieles mit. Auch von den Erzählungen seines Vaters Peter, den man noch in einem bleiverglasten Fenster auf der Titelseite des Buches erkennen kann. Weitere Bleiverglasungen aus dem einstigen Brauhaus sind übrigens im Schiefbahner Heimatmuseum ausgestellt. Sie zeigen unter anderem die Gründerväter des Gesangsvereines "Cäcilia" aus dem Jahr 1845.

"Danke für deine weitere lebendige Beschreibung unserer Heimatgeschichte", schreibt Willichs Bürgermeister Josef Heyes in seinem Vorwort. Denn in dem 352-seitigen Buch wird nicht nur die Geschichte der ehemaligen Braumeister erzählt, sondern auch erklärt, was zur damaligen Zeit in Schiefbahn so los war. Es geht dabei unter anderem um den Hexenprozess der Grietgen Haaks, um die Zeit des 18. Jahrhunderts, als es noch Pferdemärkte in Schiefbahn gab oder Schiefbahner Schützen das Neersener Schloss verteidigten. Erinnert wird ferner an die Schlacht an der Hückelsmay im Jahr 1758 oder an die Zeit, als es noch Nachtwachen gab, um Diebesbanden zu erwischen. Erinnert wird an den Mordanschlag auf den Schiefbahner Wirt ebenso wie an die Gründung des Theater- oder Hopfenvereins im Jahr 1864 durch den damaligen Schiefbahner Bürgermeister Wilhelm Speckmann.

Viele sind natürlich in dem Brauhaus eingekehrt. Darunter Gerhardt Vynhoven, der am Stammtisch von seinem größten Wunsch erzählte, die Kapelle "Klein Jerusalem" zu bauen. Es wurde dafür gesammelt; 1661 war die Kapelle in Neersen fertig. Dort, in unmittelbarer Nähe, gab es schon früh die Gaststätte "Zum Schwarzen Pfuhl", die Anfang des 19. Jahrhunderts von Johannes Peter Tillmanns, einem Bruder des Braumeisters Heinrich Tillmanns, geführt wurde.

Auf der Reise zum Nordkanal kehrten dort am 2. November 1811 zahlreiche französischen Offiziere mit Napoleon ein. "Wollt ihr mich vergiften?", soll der Kaiser nach dem Probieren eines herben Rotweins gesagt haben. Also ritt der Wirt zu seinem Bruder, kehrte mit einem kleinen Fass des selbst gebauchten Altbieres zurück. "Mehr davon", war Napoleon begeistert; Johannes Peter musste sein Pferd noch mal anspannen, um Nachschub zu holen. So wurde es zumindest erzählt.

Rudi Tillmanns dankte allen, die in irgendeiner Weise am Zustandekommen dieses Buches beteiligt waren. Er nennt seine Kinder, die Heimatforscher Jakob Germes, Ludwig Hügen und den Stadtarchivar Udo Holzenthal. Nicht zu vergessen den Studenten Niclas Gawenda, der das Ganze niederschrieb, oder seine Ehefrau Irmgard, mit der er seit über 60 Jahren verheiratet ist.

Im Buch stehen auch einige amouröse Begebenheiten aus der früheren Zeit. So soll einmal eine junge Dienstmagd, Adelheid, heftig mit Braumeister Paul Jakob Tillmanns geflirtet haben. Als dies Ehefrau Anna-Sophia mitbekam, musste Adelheid über Nacht die Brauerei verlassen. Braubursche Matthias soll dies wie folgt kommentiert haben: "Die Magd lebte nach dem Prinzip: lieber ein leichtes Mädchen als eine schwere Arbeit."

(wsc)
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