Stadt Willich Souvenirs des abwesenden Lebens

Stadt Willich · Die städtische Galerie in Schloss Neersen zeigt in einer Einzelausstellung Fotografien der Düsseldorfer Akademiestudentin Julia Gräb. Die junge Künstlerin fängt in ihren Arbeiten die Stimmung verlassener Räume ein.

 Die 25-jährige Kunststudentin Julia Gräb zeigt Fotografien aus verlassenen, leeren Räumen. Für die drei Arbeiten hier im Bild hat sie sich auf den Boden gelegt und den noch installierten Leuchter an der Decke fotografiert.

Die 25-jährige Kunststudentin Julia Gräb zeigt Fotografien aus verlassenen, leeren Räumen. Für die drei Arbeiten hier im Bild hat sie sich auf den Boden gelegt und den noch installierten Leuchter an der Decke fotografiert.

Foto: WOLFGANG KAISER

Die innere Schönheit längst vergessener Häuser zum Vorschein bringen - das ist der Impuls, aus dem die junge Düsseldorfer Künstlerin Julia Gräb ihre Fotografien macht. Das vorgefundene Ambiente, der spontane wie kalkulierende Blick der Künstlerin und die technischen Möglichkeiten der Spiegelreflexkamera gehen eine fantastische Melange ein. Zu sehen sind in der von Jutta Saum kuratierten Ausstellung 20 Farbfotografien von einem besonderen Charme. Sie wirken formal stringent, das bildnerische Konzept lässt aber dem Betrachter genügend Spielraum, seine eigenen Assoziationen und Erinnerungen einzubringen.

Nachdem sie in Düsseldorf zum ersten Mal in einer leerstehenden Fabrik fotografierte, hat es Julia Gräb gepackt. Von Deutschland hat sie ihren Fokus auf Belgien verlagert, weil dort öfter leerstehende Häuser zu finden sind, die schon viele Jahre ohne Abriss überstanden haben und in den vergessenen oder sich selbst überlassenen Resten der früheren Einrichtung imaginäre Erinnerungen an ihre unbekannten einstigen Bewohner heraufbeschwören. "Es bedarf einer gewissen Beherztheit, Türen und Mauern zu überwinden, um die innere Schönheit dieser längst vergessenen Häuser und Fabriken zum Vorschein bringen zu können", sagt Julia Gräb selber. Im Vorfeld ihrer Recherche versucht sie, Genehmigungen zu erhalten, was nicht immer gelingt, weil oft die Eigentumsverhältnisse verworren sind. Sie ist keine Einbrecherin, meistens sind die Türen offen, oft sind die Häuser schon von Plünderern heimgesucht und auch Vandalen haben sich vielfach ausgetobt. Meistens ist aber der Zahn der Zeit, der an den Wänden genagt hat und Tapeten in Streifen von den Wänden löst. Bis auf eine Ausnahme in zwei Bildern, bei denen sie zwei Sessel und eine Couch in das Seitenlicht gerückt hat, sind alle Bilder nicht arrangiert. Gräb fotografiert, was sie vorfindet. Sie fügt nichts hinzu und nimmt nichts heraus, weder vor Ort, noch später am Rechner. Diese faszinierenden Fotografien sind einerseits nur Dokumente, andererseits eröffnen sie bei ihrer Ansicht vielmehr neue Räume der Fantasie.

Beim Besuch bei den belgischen Nachbarn liegt ja der Gedanke an Simenons Maigret-Geschichten und ihren Blick in ärmliche, heruntergekommene Wohnungen nahe. Man kann aber auch an "Der Verrat des Bildes" des Surrealisten Magritte denken. So wie eine gemalte Pfeife keine wirkliche Pfeife ist, so sind Julia Gräbs Interieurs keine Abbildungen wirklicher Wohnungen, sondern Erinnerungen an ehemalige Lebensräume, deren Bewohner längst verzogen, wenn nicht gar verstorben sind. Die Fotografin zeigt, was sonst verborgen bleibt. Wenn der vertrocknete Blumenstrauß auf dem Kaminsims mit den Mustern der Blütentapete korrespondiert, schafft Gräb eine Poesie, die anrührt. Formal bleibt sie meist streng in der Fläche, nicht der gesamte Raum wird erahnbar, sondern ein wichtiges Detail, etwa ein verlassenes Ehebett mit den Wassergläsern auf den Nachttischen.

(RP)
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