Stadt Willich Streetworker: Ausschuss berät Perspektiven

Stadt Willich · Jugendhilfeausschuss diskutiert, wie es mit Streetworking und mobiler Jugendarbeit weitergehen soll.

 Marion Tank hat ihr Büro in den Bauwagen am Anrather Bahnhof. Dort haben sich Jugendliche auch eine Skater-Anlage gebaut.

Marion Tank hat ihr Büro in den Bauwagen am Anrather Bahnhof. Dort haben sich Jugendliche auch eine Skater-Anlage gebaut.

Foto: WOLFGANG KAISER

Die Verwaltung stellt dem Jugendhilfeausschuss den "Kinder- und Jugendförderplan" heute in der Sitzung zur Diskussion und zu Änderungen oder zur Fortschreibung vor. Das erklärte die Beigeordnete Brigitte Schwerdtfeger auf Anfrage unserer Zeitung. Dazu präsentiert die Verwaltung erste Ergebnisse aus dem eingeleiteten Qualitätsentwicklungsprozess im Bereich Offene Kinder- und Jugendarbeit und Streetwork/Mobile Jugendarbeit. Darin geht es um die Frage, wie die Offene Kinder- und Jugendarbeit ausgestaltet werden soll. "Wir prüfen, was wir machen, ob es erfolgreich ist und wo wir etwas ändern müssen", so Schwerdtfeger. Der Plan muss zu Beginn einer Ratsperiode zur Fortschreibung vorgelegt werden.

Das Thema Streetwork ist insofern problematisch, als eine von zwei Stellen seit mittlerweile zehn Monaten unbesetzt ist: Bei einer Diskussion über Stellenplan-Änderungen im Haupt- und Finanzausschuss hatte Kämmerer Willy Kerbusch die Situation dargestellt: Die Mitarbeiterin ist in Elternzeit, die eigentlich jetzt abläuft. Sie kehrt aber aufgrund einer persönlichen Situation noch nicht zurück, eine Übergangslösung gibt es aus mehreren Gründen nicht: Die von Politik und Verwaltung getragenen Sparmaßnahmen zur Haushaltskonsolidierung sehen eine verzögerte Nachbesetzung frei werdender Stellen vor. Außerdem ist es schwierig, solche Stellen mit entsprechend qualifizierten Kräften befristet zu besetzen, "dafür kündigt niemand eine andere Stelle", so die zuständige Geschäftsbereichsleiterin Susanne Kamp. Die zweite Stelle wird nur mit 30 Wochenstunden umgesetzt, weil die Mitarbeiterin zehn Stunden für den Personalrat freigestellt ist.

Grundsätzlich ist in Willich seit Jahrzehnten anerkannt, dass Streetwork ("aufsuchende Jugendarbeit") gemacht werden soll: Susanne Kamp findet in ihren Unterlagen einen Vorgang, "dass die Stelle einer Streetworkerin zum 1.4.1991 wieder besetzt werden soll."

Einzige städtische Streetworkerin ist im Moment Marion Tank: Sie hat ihr "Büro" in den Bauwagen am Anrather Bahnhof, die seit mehreren Jahren Teil eines Dauerprojektes für Jugendliche und junge Erwachsene sind: Sie haben sich einen Treff eingerichtet - mit Skater-Anlage und Basketball-Körben. Tank beschreibt, was für sie Streetwork ausmacht: zu den jungen Leuten gehen und dort mit ihnen sprechen, wo sie sich befinden, nicht den Versuch, sie in die Jugendfreizeit-Einrichtungen zu holen: "Ich suche deren Sozialräume auf" - und dann ist es immer eine Einzelfallarbeit, die unterschiedliche Aufgaben stellt. Aktuell begleite sie viele junge Erwachsene mit "gefächerten Problemen" - und allein die Aufzählung macht beklommen: die Alterssituation unter 25 Jahre (ein Bearbeitungskriterium für das Jobcenter), arbeitslos, ohne Ausbildung, mit Drogenproblemen, stecken in Gerichtsverfahren, haben Magersucht, Schulden, haben Gewalt erlebt oder ritzen sich, brauchen vielleicht Psychotherapie... alles Probleme, die nicht "mal eben so" zu lösen sind. Jeder von ihnen brauche individuelle Betreuung und viel Geduld, so Tank - denn schon die Aufforderung zu Pünktlichkeit oder Verlässlichkeit könne sie überfordern. Ihr ist wichtig: "Die Leute können immer wieder ankommen. Ich bewerte das nicht. Sie können mich nicht enttäuschen oder ich bin sauer. Das nimmt Druck". Sie begleitet sie zu den verschiedensten Terminen - vom Gericht bis zum Jobcenter oder steht einfach für Gespräche zur Verfügung. Diese Unvoreingenommenheit kommt an. Sie zeigt den Platz mit einem neu gestrichenen Haltestellen-Häuschen, das früher am St. Bernhard-Gymnasium stand: "Das haben die alles selbst wieder hergerichtet". Für andere Gruppen gibt es selbstverwaltete Bauwagen (an der Pestalozzi-Schule oder am Karo 11), bei denen zwei Jugendliche die Schlüssel haben. Bei einigen gibt es signifikante Erfolge wie die Vermittlung in Arbeit, bei anderen dauert es länger, beschreibt sie - aber meint auch: "Schlimm ist die Verzweiflung, die man spürt."

(djm)
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