Stadt Willich Täter aus Anonymität des Netzes holen

Stadt Willich · Mit Professor Dr. Christian Pfeiffer hat sich das St.-Bernhard-Gymnasium prominente Hilfe geholt, um Missbrauch von Schülern durch Lehrer besser vorzubeugen. Schüler und Eltern sollen mehr vor den Gefahren im Netz gewarnt werden.

Der 28-jährige Sportlehrer, der seit 2009 am St.-Bernhard-Gymnasium im Willicher Stadtteil Schiefbahn tätig war, sitzt seit Mitte Januar in Untersuchungshaft. Ihm wird vorgeworfen, im Dezember seinen Cousin auf einer Kreisstraße in Kaarst-Büttgen erschlagen zu haben. Bei den Ermittlungen hat die Polizei auch den Computer des mutmaßlichen Täters untersucht. Dort fand sie Fotos von nackten minderjährigen Mädchen. Auch ein Video aus einer Mädchenumkleidekabine tauchte auf. Das Material konnte Schülerinnen des Schiefbahner Gymnasiums zugeordnet werden. Wie sich herausstellte, hatte es dort seit 2011 vier bekannte verdächtige Vorfälle gegeben, die mit dem 28-jährigen Sportlehrer in Verbindung stehen. "Der Fehler war, diese vier Geschichten nicht an einer Stelle zu bündeln", sagt Professor Dr. Christian Pfeiffer, Direktor des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen. Um Missbrauch und versuchten Missbrauch früher zu erkennen und künftig besser zu agieren, hat der Schulträger, die Malteser, den Fachmann mit ins Boot geholt. Bei einem Informationsabend präsentierte Pfeiffer ein erstes Konzept. Ein wesentlicher Punkt: eine andere Kommunikationskultur, speziell geschulte Lehrer, effektivere Aufklärung für Schüler und Eltern.

Pfeiffer ist sicher: Wäre der Schulleitung bereits der erste Fall, nämlich das Gerücht, der Lehrer habe ein Verhältnis mit einer Schülerin, bekannt gewesen, wäre diese hellhörig geworden, als ein halbes Jahr später Eltern mit einem anonymen Eintrag auf der Facebook-Seite ihrer Tochter zur Schulleitung kamen. Das Mädchen hatte eine anonyme Einladung zu einer Trainingseinheit erhalten und ordnete diese ihrem Sportlehrer zu. Die Schulleitung schaltete die Polizei ein. Die überprüfte den Facebook-Account, der gelöscht war. Die Sache verlief im Sande. Ebenso Fall drei und vier, die ähnlich gelagert waren. "Es wäre sinnvoll gewesen, wenn die Schülerin auf die Einladung eingegangen wäre und so in Polizeibegleitung den Täter überführt hätte", sagt Professor Pfeiffer. "Aber leider war die Polizei zu duselig, um auf die Idee zu kommen." Dabei sei es wichtig, die Täter aus der Anonymität des Netzes herauszuholen und zu enttarnen. "Das ist der beste Beitrag zur Prävention: Das Risiko, enttarnt zu werden, muss zu groß sein."

Für das St. Bernhard-Gymnasium, das Pfeiffer zwei Tage lang besucht hat, findet der Professor lobende Worte: "Ich habe engagierte Lehrer kennengelernt und sehr gute Strukturen vorgefunden." Auch die Bereitschaft, jemanden von außen zur Hilfe zu holen und das Thema Missbrauch durch Lehrer so offensiv anzugehen, sei selten in deutschen Schulen. "Es sind Fehler gemacht worden, aber daraus will die Schule lernen." So soll eine Präventionsbeauftragte eingestellt werden, die Vertrauenslehrer speziell für die Themen Missbrauch, Sexting (die Aufforderung, erotische Fotos zu verschicken) und Cybermobbing ausbildet. "Es muss allen Schülern, Eltern und Lehrern klar sein, dass das dann die Ansprechpartner für diese Themen sind", sagt Pfeiffer. Auch ein Kummerkasten für Schüler, sowie eine Mailadresse für Eltern sollen eingerichtet werden.

Zudem wird es nach den Sommerferien eine vom kriminologischen Forschungsinstitut ausgearbeitete Umfrage am St.-Bernhard-Gymnasium und auf Wunsch auch an anderen weiterführenden Schulen geben zu Themen wie Lebenszufriedenheit, Elternhaus, Lehrer, Mobbing und Missbrauch. "In zwölf Monaten, wenn die Umfrage ausgewertet ist, komme ich wieder, damit wir gemeinsam sehen, was wir noch verbessern können", verspricht Pfeiffer zum Abschied.

(WS03)
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