Willich Theater zeigt Schauspiel ohne Worte

Willich · Eine außergewöhnliche Produktion hat morgen am Samstag Premiere im Theater: In "Das Ballhaus" erzählt das Ensemble jede Menge deutscher Geschichte - aber es spricht dabei kein einziges Wort.

 Und sie tanzen einen Tango: Das Schauspielensemble führt in einem tänzerischen Bilderbogen durch die Zeit von der Weimarer Republik bis heute.

Und sie tanzen einen Tango: Das Schauspielensemble führt in einem tänzerischen Bilderbogen durch die Zeit von der Weimarer Republik bis heute.

Foto: Matthias Stutte

Regisseur Frank Matthus kann die Probenarbeit zu "Das Ballhaus" in einem Wort zusammenfassen: "Schwerstarbeit". 22 Beteiligte werden in zweienhalb Stunden 100 Jahre deutscher Geschichte erzählen - von der Weimarer Republik bis heute. Nein, es gab nicht viel Text zu lernen für die Schauspieler. Statt der gewohnten Dialoge haben sie sich Foxtrott-Grundschritte eingebimst, Tangobiegungen gelernt und sogar Charleston verinnerlicht. Denn "Das Ballhaus" ist ein Stück ohne Worte, das nur über die Körpersprache der Schauspieler und über die Musik funktioniert. Am morgigen Samstag, 12. März, 19.30 Uhr, beginnt die Premiere im Theater.

Steffen Mensching hat nach dem französischen Vorbild "Le Bal" einen Text verfasst, der lediglich beschreibt, was auf der Bühne passiert. "Eigentlich endet das Stück mit dem Mauerfall. Es gibt eine Ost- und eine Westversion. Für uns hat Mensching das Stück weitergeschrieben", sagt Dramaturgin Barbara Kastner. Vom feinen Ballhaus der 1920er Jahre geht es durch die Zeit des Nationalsozialismus, vorbei an der Fußball-WM 1954, in die Ära des Rock'n'Roll. Die 68er gehen auf die Straße, die ersten Gastarbeiter kommen, und später erobern die Android-Telefone das wiedervereinte Land. Und dazwischen geben Einblendungen historischer Filmaufnahmen eine zeitliche Verankerung. Das Ballhaus bröckelt, wird Kriegslazarett, Unterschlupf für eine RAF-Terroristin... "Vielleicht werden wir noch die Entwicklung des letzten Jahres einarbeiten", sagt Matthus. Dann wäre das Ballhaus auch Übergangslager.

Irgendwo zwischen Bewegungstheater, Pantomime und Stummfilm siedelt Matthus die Produktion an. Die Schauspieler tanzen und erzählen dabei ihre Geschichten allein durch den Körperausdruck. "Wir wollen Charaktere zeigen", sagt er. Und dabei ist Timing extrem wichtig. Überhaupt ist das Spiel ohne Worte eine logistische Herausforderung. Die Szenen müssen exakt auf die Musik abgestimmt sein, die Figuren wechseln rasant, und das bedeutet Hochgeschwindigkeit beim Umziehen und Umschminken. Um die zehn verschiedene Kostüme, die die jeweilige Zeit spiegeln, hat Yvonne Forster für jeden Akteur zusammengestellt. "Das ist ein Uhrwerk, bei dem alles in einander greift." Wie turbulent es in der Garderobenzeltstadt hinter der Bühne zugeht, hat Matthias Stutte in einer Fotoserie zusammengefasst, die im Foyer zu sehen ist.

"Wir zeigen nicht die detaillierte Entwicklung von Tanzschritten für ein erlesenes Publikum", betont Choreograf Ralph Frey. Aber eine Entwicklung lasse sich klar ablesen: "Die Tanzkultur hat abgenommen. Wo wird heute noch Gesellschaftstanz gepflegt? Wir gehen mit dem Stück auch in eine Clubszene, in der jeder für sich tanzt. Aber es gab mal eine Zeit, da bedeutete Tanz auch Berührung. Da gab es ein Wir."

(RP)
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