Stadt Willich "Vann de Kirk bess an de Kass"

Stadt Willich · Um die Schiefbahner Hochstraße ging es in einem Vortrag, den Hans Engels im "Kamps Pitter" hielt.

 Bis 1961 fuhr auf der Hochstraße in Schiefbahn die Straßenbahn. Auf dem Bild aus den 50er-Jahren ist rechts das Postamt zu sehen.

Bis 1961 fuhr auf der Hochstraße in Schiefbahn die Straßenbahn. Auf dem Bild aus den 50er-Jahren ist rechts das Postamt zu sehen.

Foto: Krahpohl

Heinz Fellinger begrüßte die rund 60 Gäste im "Kamps Pitter" kurz auf Hochdeutsch. Dann war der Ur-Schiefbahner Hans Engels mit seinem Plattdeutschen dran. Er brachte Fotos aus Napoleons Zeiten mit, in der sich die vielen Begegnungen in Schiefbahn vor allem zwischen dem Leven- und dem Növertor abspielten, auf der früheren Breiderstraße, dann Hauptstraße und heutigen Hochstraße. Und da dieses Teilstück ("vann de Kirk bess an de Kass", von der katholischen Pfarrkirche bis zur früheren Gemeindesparkassse) nun mal das Herz des Dorfes war, nannte der 74-jährige Hans Engels vor den Heimat- und Geschichtsfreunden seinen ausnahmslos plattdeutschen Vortrag "Dat Hätt vann Schibban".

Heinz Engels (seine Eltern Josef und Gertrud führten früher im Herzen des Dorfes ein Textilgeschäft, das seine Großmutter Magdalena 1903 gegründet hatte) erinnerte an die alte Zeit: "De Huuchstroot woor dann och en kööt Stökk vann die aal jroote Handelsstroot, die vann Nüss noo Venlo jenj, onn doo woor all emmer jett loss, jenau wie vann Dach, och wenn ett hüüt mett de Autos maa bloos en een Richtung jeht. Enn jeddem Huus, fletts en een off twie neet, joov et en Jeschäff, dat enne jruut, dat angere jett klender, se haade dann ma bloos de Stuuv utjerömmt. On soo woore de Lüü emmer opp de Huuchstroot onjerwääs." Immer wieder nickten die Besucher, als Engels vor allem auf die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg zu sprechen kam, als noch bis 1961 die "Elektrische" (Straßenbahn) durch Schiefbahn fuhr.

Viele der älteren Herrschaften kannten diese Zeit, als es noch das Kino "Capitol" gab, Willi Nellen dort sein Gemüse und die Lebensmittel verkaufte, die Hamachers eine Sattlerei hatten, Maria Hoster das Porzellan anpries oder als Sophie Tissen ("Tisse Soffi") in ihrem Tante-Emma Laden grammgenau aus dem Bottich die gewünschte Menge Kraut abwog.

Einige Händler von früher machten später nicht mehr weiter. Geblieben ist unter anderem die Metzgerei Metten. Und auch die Meyers, die derzeit in ihrer großen Spedition an der Linsellesstraße über hundert Lkw kreuz und quer durch Deutschland fahren lassen. Damit angefangen hatte Michel Meyer. Hans Engels erinnerte an einen Vertrag von Michel Meyer mit den Schiefbahner Milchlieferanten, wonach er schon 1946 die Milch kannenweise an- und abliefern durfte.

In jungen Jahren hatte Hans Engels in Schiefbahn gewohnt, unterrichtete dann als Lehrer in anderen Städten, sodass er einige Zeit weg war und in den 80er-Jahren wieder nach Schiefbahn zurückkehrte. Vor allem war es die Zeit in seinen jungen Jahren, die ihn immer mit seinem Geburtsort verbinden wird. Als Messdiener oder Schütze, der er in der Formation "Ohne Heimweh" immer noch ist.

Es gab von Ria Lück und Nalda Schäfer Kaffee und Kuchen und für das Plädoyer in Mundart viel Beifall. "Ich wollte damit auch zeigen, dass die plattdeutsche Sprache nichts von ihrer Lebendigkeit verloren hat", sagte Engels danach. Bezogen auf die heutige Zeit wünscht er sich mehr Lebendigkeit in seinem Stadtteil. "So fehlt ein Lokal, in dem es regelmäßige Events, kleinere Ausstellungen von Handwerkern und Künstlern gibt, wo man bei Kaffee und Kuchen, bei Saft oder Wein klönen und philosophieren kann." Was er damals als junger Kerl noch gut fand: ein spezielles Rabatt-System, bei dem es von den Schiefbahner Händlern nach den getätigten Einkäufen Marken gab, die dann die Kunden am Ende des Jahres bei der Sparkasse gegen Bares eintauschen konnten. "Das Geld konnte man früher für die Weihnachtsgeschenke sehr gut gebrauchen, so etwas müsste es auch heute geben", sagte der 74-Jährige abschießend.

(wsc)
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