Stadt Willich Wackliger Haushalt ist beschlossen

Stadt Willich · Das Plus des Willicher Haushalts 2017 fußt auf der Annahme, dass die Kreisumlage gesenkt wird. Doch das ist nicht sicher. Für zusätzliche Unsicherheit sorgen die seit Jahren sinkenden Einnahmen aus der Gewerbesteuer.

 Der Zuschuss für die Tafel wird auf 3000 Euro pro Jahr erhöht.

Der Zuschuss für die Tafel wird auf 3000 Euro pro Jahr erhöht.

Foto: kaiser

Schuld sind ja meistens die anderen. Und was die angespannte Finanzlage der Stadt Willich angeht, sind die anderen Folgende: der Kämmerer, die Landesregierung oder der Kreis Viersen. Jetzt wurde im Stadtrat der Haushalt 2017 mit einem Volumen von rund 139 Millionen Euro und einem knappen Plus von 565.000 Euro beschlossen - nach anderthalb Stunden Reden der Fraktionsvorsitzenden und Diskussionen über zig haushaltsrelevante Anträge einstimmig. Wohl auch - wobei dies die Politiker sicher bestreiten - wegen der im kommenden Jahr anstehenden Landtags- und Bundestagswahlen wurde in den Reden je nach Fraktion in Richtung Düsseldorf und Berlin ausgeteilt oder Dank ausgesprochen.

Vor Kurzem hatte Willichs Kämmerer Willy Kerbusch im Gespräch mit der RP die Fraktionen zum Sparen gemahnt und dabei die CDU für ihre zahlreichen Anträge kritisiert, da diese Geld kosten und Kapazitäten in der ohnehin stark belasteten Verwaltung binden würden. Die "Quittung" dafür bekam er jetzt in der Haushaltsrede des CDU-Fraktionsvorsitzenden Johannes Bäumges. Kerbusch wurde zwar nicht namentlich genannt, dennoch war deutlich, dass er gemeint war. Seit 2009, so Bäumges, schließe der Haushalt regelmäßig schlechter ab, als vom Rat beschlossen. "Gründe hierfür können zu optimistische Prognosen bei der Aufstellung des Haushaltes oder eine nicht ausreichende Steuerung des Haushaltes sein", sagte Bäumges. Ein zu optimistischer Haushaltsentwurf (den der Kämmerer vorlegt) und das daraus resultierende Nachsteuern über eine Haushaltssperre (die der Kämmerer ausspricht) "können nicht die Lösung für die Zukunft sein", so Bäumges. Dass es auch anders gehe, zeige die Stadt Viersen, wo teilweise Überschüsse in zweistelliger Millionenhöhe erreicht würden. Angesichts neuer Herausforderungen und um einen weiterhin selbstbestimmten Haushalt zu gewährleisten, helfe ein einfaches "Weiter so" nicht weiter. Durch Rat und Verwaltung der Stadt müsse "ein Ruck gehen", so der CDU-Fraktionsvorsitzende.

Bäumges verteidigte die fast 30 Haushaltsanträge der CDU: Seine Fraktion habe Anträge für den Haushalt 2017 mit einem Volumen von 264.000 Euro eingereicht - das mache nicht einmal 0,19 Prozent des Haushaltsvolumens aus. "Jeder, der das Ansinnen der Politik, Mittel im Haushalt zu verschieben und damit politische Schwerpunkte zu setzen, als Schaufensteranträge oder Antragsflut bezeichnet und dabei weiß, dass wir über 0,19 Prozent des Haushaltsvolumens reden, verkennt demokratische Errungenschaften", so Bäumges weiter.

Bernd-Dieter Röhrscheid, Fraktionschef der SPD, wies auf lokal nicht beeinflussbare Faktoren des Willicher Etats hin: "Selten war ein Haushalt der Stadt Willich so fremdbestimmt wie der im kommenden Jahr." Zunehmend werde der Haushalt durch globale Ereignisse bestimmt. Rund 70 Prozent des Etats "sind durch uns hier und heute kaum zu beeinflussen. Die Einnahmen aus Steuern, Zuwendungen und allgemeinen Umlagen sind ebenso wenig beeinflussbar wie die Ausgaben für Personal, Transferleistungen und die Kreisumlage", so Röhrscheid. Apropos Kreisumlage: Dass diese dringend gesenkt werden müsse, darin waren sich die vier Fraktionsvorsitzenden sowie Bürgermeister Josef Heyes und Kämmerer Kerbusch einig.

Nachdem Bäumges nach Viersen geschaut hatte, blickte Röhrscheid nach Kempen: Während in Willich die Gewerbesteuereinnahmen seit Jahren stark zurückgingen, "sprudeln die Gewerbesteuern in Kempen nur so. Der dortige Kämmerer hatte mit 17,5 Millionen Euro für 2016 gerechnet, tatsächlich werden es rund 24 Millionen sein." Man werde im kommenden Jahr gemeinsam mit dem Kämmerer und der Wirtschaftsförderung weiter nach den Ursachen für diese unterschiedliche Entwicklung suchen müssen.

Das Thema Gewerbesteuern griff auch Dr. Raimund Berg, Fraktionsvorsitzender der Grünen, auf: "Kommunale Haushaltsverbesserungen durch neue Gewerbegebiete sind in der Zukunft nicht mehr möglich!" Trotz des schwindenden Geldflusses aus dieser Quelle sieht Berg allerdings kein Einnahme-Problem, sondern appelliert, stärker auf die Ausgabenseite zu schauen. Vor allem die hohen Investitionen seien angesichts einer schrumpfenden Bevölkerung "erklärungsbedürftig". Nicht zwingend notwendige Investitionen (Berg nannte sie "nice to have") könne man sich nach grüner Überzeugung nicht mehr leisten. "Wir müssen umsteuern! Das ist unbequem, das macht auch keine politische Freude, wenn die Entscheidungsräume kleiner werden. Aber es ist unabdingbar", so Raimund Berg.

Als Letzter in der Reihe hatte es Hans-Joachim Donath (FDP) nicht leicht, neue Aspekte anzubringen. Er wies darauf hin, dass die Bürger in Willich auf einem sehr hohen Niveau leben, und nannte als Beispiele die "Bütt", Kindergärten und Schulen, die bis auf wenige Ausnahmen qualitativ hochwertig ausgestattet seien, und die Sportanlagen, um die Willich von den Nachbarstädten beneidet werde. Diesen Standard trotz der gesunkenen Gewerbesteuereinnahmen zu halten, werde eine der größten Herausforderungen der nächsten Jahre sein, so Donath.

Man müsse sich aber auch fragen, ob getroffene Entscheidungen richtig seien, und spielte damit auf das Kreisarchiv an: "Haben wir, getrieben von dem Wunsch, das Kreisarchiv nach Willich zu holen, am Ende wirklich alles richtig gemacht? Ist die zu dem Zeitpunkt getroffene Entscheidung, die Altbestände nach Willich zu holen, auch nach der Entscheidung zugunsten von Viersen noch richtig? Können wir die Altbestände überhaupt so lagern, wie es erforderlich ist?"

(djm)
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