Stadt Willich Wenn Böller Ängste wecken

Stadt Willich · Zu Silvester gehören für viele Bürger Raketen und Böller einfach dazu. Aber es gibt auch etliche Menschen, bei denen diese Geräusche schreckliche Erlebnisse wecken.

 Schön anzuschauen sind die Feuerwerke oft. Das Zischen der Raketen und der Knall der Böller wecken bei vielen traumatisierten Flüchtlingen jedoch schlimmer Erinnerungen.

Schön anzuschauen sind die Feuerwerke oft. Das Zischen der Raketen und der Knall der Böller wecken bei vielen traumatisierten Flüchtlingen jedoch schlimmer Erinnerungen.

Foto: Dieter Staniek

Für die einen ist es ein Riesenspaß, an Silvester die Raketen in den Himmel steigen zu lassen. Man erfreut sich an dem bunten Farbreigen, der zu sehen ist und am Krach, der einfach dazugehört, wenn die Feuerwerksbatterien gezündet werden. "Es ist eine Tradition, das neue Jahr mit einem Feuerwerk zu empfangen, und ich glaube, niemand denkt in diesem Moment darüber nach, was gerade die Geräusche von Böllern, Heulern und Krachern bei Menschen auslösen können, die gerade aus Kriegsgebieten geflüchtet sind", sagt Udo Hartings. Der Leiter der Erziehungsberatungsstelle der Stadt Willich weiß, wovon er spricht, schließlich ist er nicht nur Diplom-Sozialpädagoge und Familientherapeut, sondern auch ausgebildeter Traumatherapeut.

Viele der Flüchtlinge sind durch die Kriegserlebnisse traumatisiert. Sie haben hautnah erlebt, wie Verwandte, Freunde oder Nachbarn durch Bomben und Schüsse getötet wurden. Die mit der Silvesternacht einhergehenden Geräusche ähneln denen, die diese Menschen mit dem allergrößten Schrecken verbinden. "Wir sprechen hier von sogenannten Triggern. Das sind Auslösereize, die dazu führen können, dass das traumatische Erlebnis wieder real wird", erklärt Hartings. Es kann zu Reaktionen wie Panikattacken und Ängsten mit Zusammenbrüchen und Weinkrämpfen führen.

 Udo Hartings ist Diplom-Sozialpädagoge und Familientherapeut sowie ausgebildeter Traumatherapeut.

Udo Hartings ist Diplom-Sozialpädagoge und Familientherapeut sowie ausgebildeter Traumatherapeut.

Foto: Wolfgang Kaiser

"Natürlich sind viele mit den Bräuchen an Silvester vertraut, nicht zuletzt aus dem Internet, aber nichtsdestotrotz ändert das nichts an der Tatsache, dass diese Knaller Reaktionen auslösen können. Feuerwerk hört sich an wie Bomben", sagt Hartings. Er findet daher Aufklärung immens wichtig, um unvorbereitete Konfrontationen mit der Geräuschkulisse zu verhindern - und das nicht nur in der Silvesternacht. Ach wenn das Abbrennen der Leuchtkörper nur in einem bestimmten Zeitfenster der Neujahrsnacht erlaubt ist, so ist es eine Tatsache, dass etliche Bürger auch schon vorher oder nachher noch mit den pyrotechnischen Materialien zugange sind. Und genau dieses Unerwartete sieht Hartings als problematisch an.

Das geht auch Jutta van Amern vom Arbeitskreis Fremde in der Stadt Willich so, die ansonsten dem Jahresabschluss gelassen entgegensieht. "Silvester als solches wird in allen Ländern gefeiert, aus denen derzeit Flüchtlinge bei uns leben. Sie können schon unterscheiden zwischen Feuerwerk vom 31. Dezember auf den 1. Januar und Kriegsgeschehen. Aber wenn außer der Reihe Böller losgelassen werden, kann das schon zu Schreckmomenten führen", vermutet van Amern. Die vom Arbeitskreis betreuten Flüchtlinge sind alle entsprechend informiert, aber ob das in allen größeren Flüchtlingseinrichtungen der Fall ist, ist fraglich. Der Arbeitskreis selbst feiert Silvester mit den Flüchtlingen im ehemaligen Schwesternheim.

"Wir hatten auch schon ein schönes Weihnachtsfest, wobei sich die Kinder besonders über die Geschenke gefreut haben, die wir dank der Unterstützung von Willicher Bürgern und Firmen machen konnten", berichtet van Amern. Für Silvester hat man sich vorgenommen, gemeinsam aus den oberen Stockwerken des Schwesternheimes, in dem sich das Zentrum des Arbeitskreises befindet, das Feuerwerk zu genießen.

(tref)
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