Wülfrath "Brotkiste" ist die Klön-Ecke in Düssel

Wülfrath · Der fahrende Tante-Emma-Laden versorgt die Düsseler mit vielen Alltagsdingen von der frischen Waffel bis zur Briefmarke.

 Ilona und Frank Hamann stehen mit ihrer "Brotkiste" auf dem Parkplatz vor dem katholischen Gemeindehaus in Düssel.

Ilona und Frank Hamann stehen mit ihrer "Brotkiste" auf dem Parkplatz vor dem katholischen Gemeindehaus in Düssel.

Foto: Dietrich Janicki

Wer auf dem Dorf wohnt, kennt das Dilemma: Gerade einkaufen gewesen, aber die Butter vergessen. Oder auch die Variante: Man würde gerne backen, aber es ist kein Mehl im Schrank. Spontane Gäste mit Kuchen bewirten? Fehlanzeige. Da muss erst einer losfahren, um in der Stadt einzukaufen. Und das kann dauern.

In Düssel braucht man dagegen den Überraschungsbesuch ebenso wenig zu fürchten wie die eigene Vergesslichkeit. Denn dort steht Ilona Hamann mit ihrer "Brotkiste". Und das jeden Tag von morgens bis nachmittags. Der Einkauf ist dort schon seit mehr als fünf Jahren. Allerdings war die vorherige Betreiberin nur freitags und an den Wochenenden da. Und nach einem persönlichen Schicksalsschlag blieb der Verkaufswagen manchmal geschlossen. Jeder im Dorf hatte Verständnis für das Fernbleiben - aber alle wünschten sich sehnlichst den Service ihren mobilen "Tante-Emma-Wagens" zurück.

Seit vier Monaten ist es nun also Ilona Hamann, die frühmorgens aufsteht, um rechtzeitig frischen Kaffee zu kochen. "Die ersten Kunden kommen schon um halb 7", weiß sie. Eigentlich hat sie da noch gar nicht auf - die offizielle Öffnungszeit ist an den Werktagen erst eine halbe Stunde später. Und dennoch: Wer noch schnell vor der Arbeit einen heißen Kaffee trinken möchte, bekommt ihn natürlich. Ebenso wie das frische Brötchen, an das sich viele Düsseler längst gewöhnt haben.

Würde man andernorts üblicherweise darauf warten, dass sich die Ladentüren auf die Minute genau öffnen, so ticken die Uhren im Dorf traditionell anders. Und nicht nur das: Der Tante-Emma-Wagen auf dem Parkplatz vor dem Gemeindehaus wirkt wie aus der Zeit gefallen. Es ist ein Kommen und Gehen. Man kennt sich, es wird geplaudert. Für die Dauer eines Cappuccinos steht die Zeit still. An einem solchen Ort lässt sich erahnen, was es heißt, auf dem Land zu wohnen. "Das ist hier sehr kommunikativ", weiß auch Diakon Michael Anhut, der gleich um die Ecke wohnt. Viel sagen muss er nicht - seine Kaffeetasse bekommt er quasi schon beim Ankommen über die Ladentheke gereicht. Derweil steigt gegenüber Luzie Wittkopp aus dem Auto. Die Seniorin ist Stammgast bei der "Brotkiste" und braucht längst nicht mehr zu sgen, was sie gerne hätte. Einen Cappuccino und ein Teilchen: Das ist das tägliche Menü am Nachmittag. "Früher musste man für jede Briefmarke nach Wülfrath fahren", plaudert die Düsselerin über vergangene Zeiten. Denn auch Briefmarken gehören zum Sortiment - wie auch Kartoffeln, Zucker oder Milch.

Und der Service umfasst weitere Punkte: Ist man mal nicht zuhause um ein Paket anzunehmen, liefert es der Postbote an der "Brotkiste" ab. "Wenn ich hier um drei Uhr zumache, nehme ich es mit in die Kutscherstuben, damit die Leute es dort abholen können", sagt Hamann. Jahrelang hatte sie zuvor in einem Supermarkt gearbeitet und weiß: Seine Kunden sollte man gut kennen. Auch was den Klön-Faktor angeht. Es ist ein bisschen wie beim Friseur: Man nimmt sich Zeit zum Plaudern und setzt sich auch schon mal gemeinsam an den Tisch.

Übrigens, hoch gelobt und gern bestellt: Die frischen Waffeln, die es jeden Nachmittag ab 13.30 Uhr gibt. Da ist es dann manchmal eben doch wie im modernen Leben - das mobile Telefon klingelt, die Bestellung wird notiert und dann muss alles schnell gehen.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort