Analyse Das unwürdige Gezerre um den Zeittunnel

Wülfrath · Aus oder Ausstellungsperle? Die Politik streitet sich darum, was aus dem Museum werden soll und wer es bezahlen soll.

 Steine in Vitrinenkästen dokumentieren die Erdgeschichte, vor allem in der hiesigen Region, die vom Kalksteinabbau geprägt ist.

Steine in Vitrinenkästen dokumentieren die Erdgeschichte, vor allem in der hiesigen Region, die vom Kalksteinabbau geprägt ist.

Foto: dj-

Wer's böse meint, spricht vom Tod auf Raten. Wer es gut meint, redet von der langen, geduldigen Rettung. Einer wird letztlich Recht behalten, es kommt nur darauf an, wie lange Politik und Verwaltung das Spiel Nicht-bewegen-es-wird-sich-so-oder-so-selbst-regeln auf der Tagesordnung halten und nicht wirklich entscheiden. Der Zeittunnel ist zum Objekt geworden, an dem sich vor allem die Parteien abarbeiten, um sich selbst zu profilieren.

Kämmerer Rainer Ritsche erweckt auf Ausschuss- und Ratssitzungen nur bedingt den Eindruck, dass er den Zeittunnel heldenhaft unter allen Umständen retten will. Das ist ihm nicht zu verübeln. Eine Stadt mit chronischen Finanzproblemen und einer so großen Überschuldung will auf einen grünen Zweig kommen. Da kalkuliert das Architektenbüro in der Machbarkleiststudie Investitionskosten von fast drei Millionen Euro, dazu Betriebs- und Ausstellungskosten.

Allein die dauerhafte Kalkausstellung soll mehr als 500 000 Euro verschlingen. Die Stadt kann und will das nicht zahlen. Sponsoren sollen helfen, vor allem der Kreis soll sich beteiligen. Immerhin hatte er die Wülfrather in Euroga-Zeiten zum Zeittunnel als Leuchtturmprojekt gedrängt und wirbt auch heute noch plakativ mit der Attraktion im Tourismuskonzept Neanderland.

Die Stadt wollte den jährlichen Zuschuss an Betriebskosten von 180 000 Euro bereits in diesem Jahr streichen. Als sich der Kreis und andere Geldgeber (noch) verweigerten, öffnete man den Tunnel doch. 2014 und jetzt auch 2015, denn CDU und SPD wollen dies so im Rat beschließen. Eigentlich ist es der nächste Akt im Drama "Leben oder Sterben", denn derzeit sind das nur lebensverlängernde Maßnahmen. Mehr können auch CDU und SPD nicht tun. Zwar hat der Kreis signalisiert, sich den Investitionskosten beim Umbau von Gebäuden, Ausstellungsflächen und Außenareal zu beteiligen, mehr aber auch nicht. Den Betrieb soll Wülfrath selbst sichern, obwohl der Zeittunnel von allen als regionale Museumsperle verstanden wird und auch als solche beworben wird.

Vor allem vom Kreis, denn zumindest einige Wülfrather sehen keine Chance auf den Weiterbetrieb. Wolfgang Peetz gehört dazu. Der Sprecher der Wülfrather Gruppe (WG) war gemeinsam mit Ralph Mielke im Vorstand des Fördervereins und fördert jetzt auf eine ganz spezielle Weise: Er fordert den sofortigen Ausstieg aus der Finanzierung und kritisiert die Ratsparteien, die den Tunnel am Leben erhalten wollen. "Viel zu teuer", sagt er. Auch die Grünen haben nach reiflichem Überlegen gestern nachgelegt: "Einer jahrzehntelangen Belastung für Wülfrath, mit unkalkulierbaren jährlichen Betriebskosten können wir nicht zustimmen", sagt Grünen-Ratsfrau Ophelia Nick.

Wer jedoch glaubte, da formuliere sich eine langsam keimende Mehrheit für das Aus des Zeittunnels, irrt. Die Grünen haben zwar schwere Bedenken, titschen aber dann doch zwischen Jein und Ja, aber. Man wisse, wie wichtig er sei, man wolle irgendwie erhalten: "Dazu kann eine gepflegte Außenanlage des Zeittunnels für Konzerte und Openairkino beitragen. Wir verschließen uns nicht für zukünftige Ideen zu Kultur-, Museum- oder Freizeiteinrichtungen in Wülfrath. Auch fänden wir es gut, wenn der Zeittunnel innerhalb eines kreisweiten Kultur- und Freizeitkonzeptes vom Kreis auch hinsichtlich der Betriebskosten gefördert wird" sagt Ratsfrau Ophelia Nick. Ach ja, auch die WG umschiffte eine klare Kante: Im Kulturausschuss enthielt man sich, als die Öffnung 2015, Gespräche mit Sponsoren und eine Betriebskostenrechnung beschlossen wurden.

Und jetzt? Es gibt kein Licht am Ende des Tunnels. Der Kreis und andere mögliche Geldgeber verweigern sich dauerhafter Unterstützung, höchstens Investitionskosten seien drin, heißt es. Dabei hat der Zeittunnel die dringend notwendig. Als Architekt Raimund Hölscher seine Machbarkeitsstudie vorstellte, muss es als charmant verbucht werden, dass er Kritik so nett verpackte. Der Weg hinauf und der Eingangsbereich sehen nämlich verheerend und wenig einladend aus.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort