Wülfrath Er ist weg

Wülfrath · Elke Voss' Familie nahm den 20-jährigen Ghanaer Clement Opoku Appiah nach seiner Flucht in Düssel auf. Sie holten ihn aus einer Notunterkunft. Sie bürgten für ihn, er arbeitete als Maler-Azubi und zahlte Steuern und Sozialabgaben. Nun verließ er die Familie. Er hatte Angst, abgeschoben zu werden.

 Clement Opoku Appiah lernte Maler und Lackierer in Wuppertal. Doch die Angst vor der Abschiebung war zu groß geworden.

Clement Opoku Appiah lernte Maler und Lackierer in Wuppertal. Doch die Angst vor der Abschiebung war zu groß geworden.

Foto: dietrich janicki

Er hat Angst. Große Angst davor, jetzt in seine afrikanische Heimat abgeschoben zu werden. Deshalb ist Clement Opoku Appiah wieder auf der Flucht. Morgens packte er in seinem Zimmer im Haus von Familie Voss in Düssel eine Tasche mit ein paar Habseligkeiten, holte sein erspartes Geld vom Konto und ging zur Bushaltestelle. "Da verliert sich seine Spur", sagt Elke Voss, deren Familie den jungen Mann bei sich aufgenommen hatte. "Ihn hat die Angst gepackt, dass er zurück nach Ghana muss. Die Mitarbeiterin bei der Ausländerbehörde hatte die Lage bedrohlich geschildert", erzählt Voss. Die Rechtslage sollte vollzogen werden.

Dabei gab es keinen Grund, Clement Opoku Appiah zurück in seine Heimat zu schicken, denn der junge Mann war auf dem besten Wege sich zu integrieren. Die Düsselerin hatte mit Ehemann Thomas und Tochter Melissa den Ghanaer im Sommer vergangenen Jahres aus der Notunterkunft in Vohwinkel geholt. Seitdem lebte er als neues Familienmitglied mit im Haus in Düssel. Die Familie bürgte für ihn. Die Behörden hatten dieses Verhalten anfangs kategorisch abgelehnt und erklärt, er müsse in der Flüchtlingsunterkunft leben. Doch die Familie schaffte es mit kooperierenden Behörden im Kreis und mit der Stadt Wülfrath, dass der damals 19-Jährige bei den Voss' weiter leben konnte. Er lernte mühsam Deutsch, um sich eine Grundlage für ein Leben in Deutschland aufzubauen.

Im Herbst vergangenen Jahres begann Opoku Appiah eine Ausbildung bei einem Wuppertaler Maler- und Lackiererbetrieb. Er zahlte Steuern und Sozialbeiträge. Stand sein Leben monatelang auf der Kippe, hatte er da endlich eine Perspektive. "Er kann eine Lehre machen ohne Angst zu haben, ausgewiesen zu werden", sagt Elke Voss im Spätherbst 2015. Dachte sie. "Jetzt sollen ja viele Menschen aus Ghana konsequent abgeschoben werden", sagt sie heute. Doch mit der Härtefallklausel hätte er seine Ausbildung fertig machen können. Dann wäre neu entschieden worden.

So sehr Opoku Appiah mit der Lehre Boden unter den Füßen hatte, so sehr lagen die dunklen Schatten der Flucht auf dem Leben des jungen Mannes. "Er ist traumatisiert durch Gewalt und Todesangst", erzählte Voss. Vor drei Jahren war er aus seiner Heimatstadt Kumasi in dem westafrikanischen Land geflohen. Die Eltern waren gestorben. Sein 22-jähriger Bruder konnte nicht mehr das Schulgeld für drei Geschwister bezahlen. Clement musste seine Familie verlassen. Seine jüngeren Geschwister, 12 und 14 Jahre alt, leben inzwischen bei einer Pflegefamilie in Ghana.

Opoku flüchtete durch die Wüste über das Mittelmeer, schlug sich bis Bulgarien durch, wo er ins Gefängnis geworfen wurde. Schließlich gelangte er nach Deutschland. Vor knapp einem Jahr lernte Voss, die in der Freien evangelischen Gemeinde in Vohwinkel engagiert ist, den jungen Mann kennen. Die Familie lud den jungen Afrikaner zu sich ein. "Er blühte auf und konnte endlich wieder ruhig schlafen", erzählt sie. "Ich fand endlich wieder Ruhe", bestätigte Opoku Appiah damals.

Morgens um sechs Uhr, bei Eiseskälte im Winter, bei Regen im Sommer stand der junge Mann jeden Tag an der Haltestelle in Düssel und wartete auf den Bus, der ihn nach Wuppertal zu seiner Ausbildungsstelle brachte. Sein Chef war äußerst zufrieden mit seinen Leistungen, auch das Deutsch klappte immer besser. 100 Euro schickte er jeden Monat für die Ausbildung seiner beiden jüngeren Geschwister nach Ghana. Den Rest sparte er.

Nun ist er weg. Wieder auf der Flucht, diesmal vor den Asylgesetzen. "Freunde von ihm erzählten mir, Clement wolle nach England oder Italien. Dort erhoffe er sich bessere Chancen auf eine Aufenthaltsgenehmigung", erzählt Voss. Das Handy ist ausgeschaltet, das Facebook-Profil gelöscht. Die ganze Familie hofft, dass er sich wieder meldet. "Wir könnten ihm zusichern, dass er für die Ausbildungszeit nicht zurück nach Ghana muss." Doch die Angst des Clement Opoku Appiah ist anscheinend zu groß.

(rei)
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