Wülfrath Im Herz der Besinnlichkeit

Wülfrath · Josef Schoenen las im Wülfrather Café Schwan Werke von Rainer Maria Rilke,

 "Rilke ist ein sehr besonderes Herzensanliegen von mir", sagt Josef Schoenen, der seine Gitarre immer gerne mitbringt.

"Rilke ist ein sehr besonderes Herzensanliegen von mir", sagt Josef Schoenen, der seine Gitarre immer gerne mitbringt.

Foto: Dietrich Janicki

In wachsenden Ringen um seine Heimstätte in Bilk durchkämmt der Poetiker Josef Schoenen seit Jahren die Düsseldorfer Region. Seine Streifsuche gilt jenen raren Orten, an denen sich in aller Ruhe seine orchideenhaften Rezitationsabende entfalten können.

Inzwischen kann er als Experte im Aufspüren solch lyrikfreundlicher Biotope angesehen werden. Mitten in der Kalkstadt hat er so das Café Schwan aufgetan: "Ich finde das Örtchen Wülfrath pittoresk und im Schwan herrscht eine sehr liebe Atmosphäre." Dort gastierte er nun bereits zum siebten Male und enthüllte ein erneut frisches Programm namens "Hiersein ist herrlich!".

In diesem huldigt er dem Schaffen des Spätromantikers Rainer Maria Rilke, was ganz im Sinne der Kulturprogrammatik des Cafés steht. Inhaberin Renate Weisemann schildert, dass dort vieles neben Poesie und irischer Livemusik Platz findet: "Für die nächsten anderthalb Jahre habe ich schon Maler, die hier ausstellen werden. Es hat sich ein Stammpublikum herauskristallisiert, aber es kommen auch immer wieder neue Leute." Das urwüchsige Fachwerkinterieur sorgt für die panoptische Gemütlichkeit eines Guckkastens. Üblicherweise reist Schoenen zu seinen Auftritten per Bus und Bahn an und schultert dazu seine mächtige Gitarrentasche auf. Man könnte ihn im Vorbeigehen für einen Liedermacher halten, doch er ist vielmehr ein Sprachakrobat und seine eigentlichen Instrumente sind Bücher. Die Saiten lässt er bloß zwischendurch erklingen und ermöglicht damit Konzentrationspausen. Über vierzig Programme hat der virtuose Vorträger schon ausgearbeitet.

Für dieses ist Wülfrath nach der Premiere am Sonntag im Kölner Hinterhofsalon nun die zweite Station, wie Schoenen mit ungebrochenem Elan berichtet: "Rilke ist ein sehr besonderes Herzensanliegen von mir." Intuitiv hatte Schoenen einst in einem Antiquariat nach dem grundlegenden "Stunden-Buch" gegriffen, in dem - obschon ein Frühwerk - bereits der wesentliche Kern der rilkeschen Mystik zu finden ist: "Ich fühle mich diesem Dichter sehr nah und verbunden."

Herausgefordert habe ihn auch das vielbeachtete "Rilke Projekt", für das bekannte Schauspieler die Gedichte auf zeitgenössische Art interpretiert haben. Schoenen konnte sich daran zum einen Teil begeistern und zum anderen Teil stören. Für eine eigene Darstellung siebte er Stellen aus, welche die Essenz der schwierigen Kulturtechnik des Liebens enthalten.

Dichterfürst Rilke widmete sein Leben dem Sinnieren und hinterließ predigthafte Weisheit. Interpret Schoenen gelang dank Innigkeit die Vermittlung der lehrreichen Botschaften. Sei Du selbst, um zur Liebe befähigt zu sein, lautet sein ehernes Credo. Drei Hände voll zählte die verschworen wirkende Hörergemeinde. Wem gerade einer dieser von Erzählmagie Gebannten im Blickfeld saß, der konnte über den Wandspiegel dem dynamischen Rezitator folgen. Ein Schattenspiel des Lebensglanzes, wie es auch Rilke gefallen hätte; eingefangen im seitenverkehrenden Schein eines Spiegelbildes.

(lard)
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