Wülfrath Poetry Slam lockt Künstler von weit her

Wülfrath · In Evis Bistro treffen sich regelmäßig die Sprachkünstler. Und die kommen sogar aus München, um sich mit ihren Kollegen auf der Kellerbühne im Wortwitz-Wettstreit zu messen.

 Der Wahl-Münchner Philipp Scharri erreichte erstmals in der Wülfrather Slamgeschichte die Höchstnote von 50 Punkten.

Der Wahl-Münchner Philipp Scharri erreichte erstmals in der Wülfrather Slamgeschichte die Höchstnote von 50 Punkten.

Foto: DietRich Janicki

Die vereinigten Einschaltverweiger der allerbesten Sendezeit trafen sich Souterrain in Evis Bistro. Sonntagabend ist in Deutschland Tatortzeit. Doch wer sich weniger per Gruselschock als vielmehr durch Wortblitze durchzucken lassen mochte, war beim Poetry Slam goldrichtig.

Als "Die große Jubiläumsshow" kündigte Slam-Master Jan-Arndt Schmidt das Treiben an. Welches Jubiläum nun genau gefeiert wurde, konnte erst durch eingehende Recherche festgestellt werden. Es war das Hölzerne Jubiläum - also die nunmehr fünfte Veranstaltung dieser unterirdischen Art. Nach einer so spärlichen Anzahl schon ein großes Jubiläum zu zelebrieren, bedarf gehörigen Selbstbewusstseins. Solches darf sich Schmidt zu Recht auf die Stirn schreiben, denn er hat innerhalb kürzester Zeit einen rätselreichen Mythos erschaffen.

Wie kommt der Schmidt aus der Ministadt Hilchenbach dazu, in der Klein- bis Mittelstadt Wülfrath diesen Dichterstreit anzuzetteln? Und wie schafft es dieser Siegerländer nur, die handverlesensten Sprachkünstler zur gleichen Zeit am gleichen Ort in Evis Bistro auf der Wilhelmstraße zu versammeln? Mit knapp hundert Hörern war es zwar nicht ganz so reißend gefüllt wie sonst, doch die Gewölbeatmosphäre flirrte erneut. Unbestritten verdienter Sieger dieser Ausgabe wurde der Wahl-Münchner Philipp Scharri, der in der zweiten von drei Runden sechs ruhmgefüllte Minuten schierer Perfektion performte und damit erstmals in der Wülfrather Slamgeschichte die Höchstnote von 50 Punkten erreichte. Er fing ganz langsam an, erklärte dann die Krise der Religionen und erging sich schließlich in einem erotik-poetischen Höhepunkt. Die Anfangzwanzigerin Luca Swieter hatte sich neben Scharri ins Finalduell gekämpft. Vor dem Entscheidungsvortrag schüttelte sie angriffslustig ihre Löwenmähne und säuselte einen herzblutenden Abgesang auf ihre piefige Heimatstadt. Sie gab zudem postmoderne Weisheiten wie diese preis: "Nicht alles lässt sich mit Käse überbacken, damit es geiler wird."

Mit seinen 35 Jahren schon in die Riege der Klassiker aufgestiegen, hatte sich Ruhrmelancholiker Tobi Katze, trotz seines Reibeisenschnurrens, auf zarte Zweifeltexte verlegt. Mit denen lassen sich ganz schwer Wettbewerbe gewinnen. Sein Neuwerk über das Aufblühen als Autor und als Persönlichkeit widmete er großmütig dem einzig gemeldeten, letztlich jedoch nicht erschienenen Wülfrather im Wettbewerb.

Zwischendurch gab es lockerlässige Zigarettenpausen, in denen Tobi Katze ausgiebig handysurfte und Swieter mit ihrem Kölner Slamkollegen Tom "Der Tom" Schildhauer fachflirtete. Diese Auszeiten gehören fest zur Slamattitüde, denn die Ruhe zu bewahren und auszustrahlen ist erste Dichterpflicht.

Florian Cieslik, dessen persönliche Herkunft über die gesamte Strecke im unklaren blieb - mal hieß es, er sei Frankfurter, dann war er wieder Kölner - verdeutlichte in seinen Beiträgen über den Griechenslamer Prometheus den Ursprung der Slampoesie in der Tradition der klassischen Weisen.

Schildhauer, den der kurzrasierte Moderator Schmidt wegen frappierender Brillengleichheit "Ich mit Frisur" nannte, zeigte die zweite Urmutter, die Popkultur, mit seinem bösen Bekenntnis zum Ballerspiel.

Ein Poetry Slam ist eben beides gleichzeitig; Blödsinn und blaue Blume und der Wülfrather ist zudem bombastisch.

(RP)
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