Analyse Rheinkalks enge Bande zur Stadt bröckeln

Wülfrath · Die Kalkindustrie hat in Wülfrath eine jahrzehntelange Tradition. Doch der Standort als Deutschlandzentrale ist in Gefahr.

 Der jahrzehntelange Abbau des wertvollen Rohstoffs in den Kalkbrüchen in und um Wülfrath hat zu einer engen Verbindung des Unternehmens und der Stadt geführt. Rheinkalk sponsorte diverse kulturelle Aktivitäten in Vereinen und Gemeinschaften.

Der jahrzehntelange Abbau des wertvollen Rohstoffs in den Kalkbrüchen in und um Wülfrath hat zu einer engen Verbindung des Unternehmens und der Stadt geführt. Rheinkalk sponsorte diverse kulturelle Aktivitäten in Vereinen und Gemeinschaften.

Foto: Rheinkalk

Schweigen kann vielsagend sein. Dauerndes Schweigen kann noch mehr aussagen, als zu dem Thema etwas zu sagen. Das wird mancher im Rheinkalkmanagement denken, doch erst einmal hat sich die Führung des Mutterkonzerns Lhoist mit seiner deutschen Tochter das große Schweigen verordnet: Wie eng sind die Bande der Firma noch zur Stadt? Welche Verantwortung will das Unternehmen weiterhin für die Entwicklung der Kalkstadt übernehmen?

 Bürgermeisterin Claudia Panke

Bürgermeisterin Claudia Panke

Foto: Dj

Das laute Schweigen weicht jetzt einer aufkeimenden Diskussion, der Rheinkalk bislang nur lautes Schweigen entgegensetzt. "Kein Kommentar", heißt es dort auf erneute Anfrage der Rheinischen Post. Man verweist auf die jüngste Mitteilung, die den Personalwechsel und die neuen Aufgabengebiete der Verantwortlichen beschreibt. Und die hatte es in sich. Ende Januar hatten sich der Vorsitzende der Geschäftsführung der Rheinkalk GmbH, Peter Wilkes, und das Unternehmen - wie es so schön heißt - plötzlich "im beiderseitigen Einvernehmen" getrennt. Die erste Merkwürdigkeit, über die im Unternehmen und in der Stadt gerätselt wurde. Nach der Interimslösung Ludwig de Mot präsentierte Lhoist nach nur vier Wochen mit Vincent Dujardin einen neuen Deutschland-Chef. Der neue Mann an der Spitze übernahm neben seiner Funktion als Vorsitzender der Geschäftsführung in Deutschland auch die Leitung zweier weiterer europäischer Länder. Dujardin ist jetzt auch Vice President und Managing Director von Lhoist Western Europe (LWE), die aus Deutschland, Belgien und den Niederlanden besteht. Dies sei das Ergebnis einer neuen Struktur der Lhoist Gruppe, die ab sofort ihr europäisches Geschäft in insgesamt fünf Divisionen führen werde, hieß es aus Unternehmenskreisen.

 Rheinkalk-Chef Vincent Dujardin

Rheinkalk-Chef Vincent Dujardin

Foto: Rheinkalk

Schnell war klar: Ein solches Tableau von personellen Zuständigkeiten und Verschiebungen klärt ein Konzern wie Lhoist nicht so nebenbei. Dahinter ist ein strategischer Plan. Der liegt in einer internationaleren Aufstellung des Konzerns. Deutschland-Chef Dujardin bekommt zusätzliche europäische Aufgabenbereiche zugesprochen. Finanzchef Michael Liell übernimmt zudem die Finanzverantwortung für Lhoist in ganz Europa. Die Manager werden europäischer aufgestellt sein, das Deutschland-Geschäft ist nur noch ein Teilbereich. Kaum einer gibt sich der Illusion hin, dass Wülfrath Deutschlandzentrale ohne Abstriche bleibt. Sie ist schlichtweg nicht mehr nötig. Die Verwaltung von Rheinkalk steht unter Druck. 2013 wurde Personal abgebaut, mittlerweile liegt die Mitarbeiterzahl bei nur noch 140. Der Blick geht eher in die Heimat des Konzerns nach Westen zum Hauptsitz in der Nähe von Brüssel. Werden Liell und Dujardin dorthin wechseln? Auch darauf gibt es von Rheinkalk trotz Anfrage keine Antwort.

Einer, der wie viele Wülfrather die Alarmglocken schrillen hört, ist Axel Welp, SPD-Bürgermeisterkandidat und Planungspolitiker. Er weiß, dass das Unternehmen auch nach den rosigen (Gewerbesteuer-)Jahren auch heute noch existenziell wichtig ist für die Stadt. Mindestens jeder fünfte Euro an Gewerbesteuer kommt von Rheinkalk. "Seit vielen Jahrzehnten sind wir es gewohnt, einvernehmlich mit den Rheinischen Kalksteinwerken zu leben. Es war immer ein Geben und ein Nehmen", sagt Welp. Doch das ändere sich: "Man kann Lhoist nicht vorwerfen, dass der Konzern sich europaweit neu organisiert, mit der wahrscheinlichen Folge, dass künftig durch legale steuerliche Umorganisationen neuerlich erhebliche Einnahmeverluste für den städtischen Haushalt drohen."

Augenfällig beobachteten einige, dass Rheinkalk die Abbaugenehmigung im Silberberg 2013 von der Bezirksregierung abgesichert bekommen hat. Und nun beginnen die Umstrukturierungen, die welche Folgen für die Stadt haben? Einige fürchten Schlimmes. Andere schauen nach vorne. "Man muss selbstbewusst von Lhoist fordern, dass diese finanziellen und Arbeitsplatzverluste zumindest zu einem Teil durch die Bereitstellung von nicht oder nicht mehr benötigten Gewerbeflächen kompensierbar werden", sagt Welp. Dann ließe sich die Stadt auch mit immer weniger Rheinkalk weiterentwickeln. Wie das aussieht, wenn Großkonzerne Brachen besitzen, für die Stadtentwicklung aber nicht freigeben, konnte man bis in die 1990er Jahre im Ruhrgebiet beobachten. Da blockierten sie jede neue Ansiedlung. Das muss ja nicht wieder so laufen.

(RP)
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