Wülfrath Schauspielerin mit Herz für Flüchtlinge

Wülfrath · Dorothea Walda weiß aus eigener Erfahrung, wie Flüchtlinge sich fühlen. Sie floh mit ihrer Familie aus Schlesien.

 Dorothea Walda greift gerne zum Familienalbum und erinnert sich an die schöne Zeit vor der Flucht der Familie aus Kanth.

Dorothea Walda greift gerne zum Familienalbum und erinnert sich an die schöne Zeit vor der Flucht der Familie aus Kanth.

Foto: Dietrich Janicki

Wenn es um Heimatgefühle geht, kommen einem die eigenen vier Wände in den Sinn. Das Haus, die Wohnung, der Garten - und vielleicht noch die Stadt und die Gegend, in der man lebt. Vor allem aber ist Heimat der Ort, an dem sich die Seele verwurzelt fühlt. Dass zwischen diesem Ort und dem Zuhause auch schon mal hunderte Kilometer liegen können, weiß Dorothea Walda (83). Die Wülfrather Schauspielerin engagiert sich seit Jahrzehnten im Bund der Vertriebenen für diejenigen, die inmitten der Kriegswirren ihre Heimat verlassen mussten. Irgendwo aufgebrochen und nie richtig angekommen: So hätten viele der Betroffenen wohl über Jahre hinweg ihr Trauma in Worte gefasst. "Manche Menschen sind an der Erfahrung von Flucht und Vertreibung seelisch zerbrochen", weiß sie. Viele fühlten sich von der Erinnerung so verfolgt, dass sie nie wieder den Weg in die alte Heimat gewagt haben.

Wenn Dorothea Walda heute über ihre Heimat im schlesischen Kanth spricht, sind es vor allem die letzten Tage, die sich in die Erinnerung eingebrannt haben. Lange hatte die Familie zuvor gehofft, vielleicht doch bleiben zu können. Immer wieder waren die Eltern mit ihren drei Kindern an die Grenze zu Tschechien geflohen und wieder zurückgekehrt.

In diesem Haus betrieb Rudolf Walda ein Lebensmittelgeschäft. Die Familie wohnte darüber.

In diesem Haus betrieb Rudolf Walda ein Lebensmittelgeschäft. Die Familie wohnte darüber.

Foto: D. Janicki

Wie viele Deutsche sind noch da? Können wir den Lebensmittelhandel wieder aufbauen? Gibt es vielleicht doch noch irgendeinen Weg zurück nach Hause? "Wir haben lange geglaubt, dass wir zurückkommen ", erinnert sich Dorothea Walda. Als schließlich klar war, dass die Heimat verloren ist, brach eine Kinderseele innerlich in Stücke. "Ich habe auf dem Weg zum Bahnhof unser Haus mit den Händen gestreichelt", erzählt die Wülfratherin von der letzten Berührung des Elternhauses.

Die Eltern waren es jedoch, die zum Vorwärtsgehen mahnten. Nicht zurückschauen, nach vorne blicken: Mit diesen Worten ließen sich die "Vertriebenen" durch die Straßen zum Bahnhof treiben. Als sich der "Elendstransport" schließlich in Bewegung setzte, sollte der Blick aus den schmalen Zugfenstern für Jahrzehnte der letzte auf die Heimatstadt Kanth gewesen sein.

Dass jede Erinnerung unendlich schmerzhaft werden würde, war vermutlich schon damals klar. In den Koffern war alles verpackt, was ein Leben in der neuen Heimat leichter machen sollte. "Mein Vater hatte den letzten Kontoauszug des Geschäfts in der Mütze und den Schmuck in das Koffergestell eingenäht", erzählt Dorothea Walda. Vielleicht konnte ein Neuanfang so besser gelingen? Womöglich helfen die wenigen "Reichtümer", um fern der Heimat nochmals neu anzufangen?

Es waren Fragen voller Unsicherheit und Angst, die nicht nur die Familie von Dorothea Walda umgetrieben haben, "Das ist ein Gefühl, als würde eine Mutter ihr Kind verlieren", versucht sie die Gefühle von damals zu beschreiben.

Und was bleibt zurück von einem seelischen Trauma, das nur schwerlich in Worte zu fassen ist? "Man kann leichter loslassen", glaubt Dorothea Walda. Womöglich ist es aber auch das Festhalten und Verwurzeln, was nicht mehr so leicht gelingt.

Für Familie Walda hatte in der neuen Heimat ein neues Leben begonnen. Sogar der Lebensmittelhandel des Vaters florierte irgendwann wieder - mit neuem Standort in Wülfrath.

Vergessen hat Dorothea Walda ihre Wurzeln dennoch nicht. Mehr als vierzig Mal ist sie seither wieder in Schlesien gewesen. Und noch immer sagt sie: "Ich bin hier zuhause, aber Kanth ist meine Heimat."

(magu)
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